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Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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immer.«
    Â»Nicht so wie heute.«
    Sie verstand seine Worte nicht ganz, aber es war ihr egal. Sie fühlte sich müde, wohlig müde, zog die Decke über sich und kuschelte sich ein.
    Â»Gute Nacht, schlaf gut.«
    Â»Du auch.«
    Es war, als trügen Engel sie fort, weit weg in eine andere Welt. Sie merkte nicht, dass Sturm aufkam. Sie spürte nicht die Wellen des Mains, die am Boot rüttelten. Sie hörte nicht den Regen, der aufs Verdeck der Jacht prasselte. Sie fühlte nicht die Feuchtigkeit, die ins Boot zog und sich überall ausbreitete. Erst als das Morgenlicht durch die Vorhänge schien, kam sie wieder zu sich. Sie spürte ihn neben sich und erinnerte sich an die letzte Nacht. Kalt war es jetzt im Boot. Er musste die Gastherme über Nacht gelöscht haben. Sie fröstelte. Da half die dünne Decke nicht viel. Überall war diese grässliche Feuchtigkeit, die über dem Fluss hing. An der Decke des Bootes hatten sich feine Perlen aus Kondenswasser gebildet. Wie ein kalter feuchter Schock war dieses Erwachen für sie. Sie wagte es nicht, ihn zu wecken. Also schlüpfte sie aus dem Bett, sammelte ihre Kleider ein, die überall im Boot verstreut waren, und zog sich an. In zwei Stunden fängt meine Arbeit an, dachte sie. Ich muss nach Hause und mich frisch machen. Vorsichtig spähte sie aus dem Boot. Auf dem Steg war niemand zu sehen. Sie riss einen Zettel aus ihrem Kalender und schrieb darauf: ›Musste zur Arbeit. Vielen Dank und einen schönen Tag! Deine Ilona‹. Den Zettel legte sie auf seine Wäsche. Schnell huschte sie vom Boot, sah sich nicht mehr um, eilte die Mainpromenade entlang, die Treppen zum Schlossplatz herauf und von dort zu ihrer Wohnung am Roßmarkt.

9
    Â 
    Â»Wir mussten ihn wieder laufen lassen«, sagte Kommissar Rotfux und blickte mit ernster Miene in die Runde, welche sich im Besprechungszimmer des Kommissariats versammelt hatte. Er trug wie üblich einen gelben Pulli, hatte seine lederne Besprechungsmappe vor sich liegen und blätterte in einigen Unterlagen.
    Â»Da wir außer diesen satanischen Schriften nichts in der Villa von Fliegers gefunden haben, war die Beweislage zu dünn«, erklärte er, als wolle er sich für das Verhör von Bernhard Flieger entschuldigen. »Solange die Durchsuchung der Villa lief, konnten wir ihn festhalten, um der Verdunkelungsgefahr entgegenzuwirken. Das war richterlich gedeckt. Da wir keine weiteren Indizien fanden, hatten wir anschließend keine Möglichkeiten mehr«, erläuterte der Kommissar.
    Während er sprach, rutschte der junge Seidelmann unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Herr Kommissar, ich hab da noch was Wichtiges. Vielleicht können wir ihn doch einlochen.«
    Â»Na na, Herr Seidelmann. Nicht ganz so stürmisch«, bremste ihn Rotfux. »Von einlochen wollen wir lieber nicht reden. Was gibt es denn Neues?«
    Â»Eines der Haare, welche wir an der Garderobe in Fliegers Villa gefunden haben, scheint von der Ermordeten zu stammen. Ilona Drucker war vermutlich in der Villa.«
    Â»Oder jemand hat das Haar dort deponiert«, warf der dicke Oberwiesner ein, der wie üblich im karierten Hemd auf seinem Stuhl saß und bereits die zweite Cola seit Beginn der Sitzung trank.
    Â»Die mikroskopische Haaranalyse hat eine völlige Übereinstimmung mit den Haaren der Ermordeten ergeben«, fuhr der junge Seidelmann unbeirrt fort. »Zur Sicherheit lassen wir zusätzlich eine DNA-Analyse erstellen.«
    Â»Mhmm«, brummte Rotfux. »Höchst interessant. Wenn das stimmt, wäre es eine kleine Sensation. Der erste greifbare Hinweis.«
    Seidelmann strahlte wie ein Schneekönig und lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück. Sie diskutierten eine Zeit lang, was zu tun wäre. Gerda Geiger kannte das. Alle würden sich wichtig machen. Der junge Seidelmann würde voller Begeisterung für die sofortige Festnahme des Verdächtigen plädieren. Otto Oberwiesner, der alte Fuchs, würde sich zurückhalten und für vorsichtiges Abwarten eintreten, bis der Kommissar seine Entscheidung verkündete, die sie alle mitzutragen hatten. Gelangweilt sah Gerda Geiger aus dem Fenster. Die blätterlosen Bäume reckten sich in den Himmel. Die Äste waren leicht mit Schnee überzuckert, die Dämmerung kroch in die Straßenfluchten und sie freute sich auf einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher, bei einem

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