Blutstern
Freitag Mitte Juni, traf Thomas Drucker abends mit dem ICE am Frankfurter Flughafen ein. Mehrmals hatte Johann Flieger noch mit ihm gesprochen, ihm in Mombasa und Nairobi verschiedene Textilfirmen und Gesprächspartner genannt, ihm erklärt, was er zu verhandeln habe und wie er die verschiedenen Adressen finden würde.
»Am besten nehmen Sie einfach Taxen. Die sind in Kenia nicht teuer und Sie ersparen sich langwieriges Suchen«, hatte der alte Flieger gesagt.
Beim Check-in am Comfort Class Schalter â der Senior wollte, dass er Business Class flog â kam er sich in seinen ausgewaschenen Jeans und seiner Safari-Jacke seltsam vor. Er hatte sich bewusst urlaubsmäÃig gekleidet, trug eine dunkle Sonnenbrille und eine Baseballmütze, damit ihn keiner so leicht erkannte. Unruhig blickte er sich um, konnte aber nichts Verdächtiges bemerken. Die nette junge Hostess am Check-in Schalter fertigte ihn freundlich ab. Wieder sah er sich unruhig um. Sabine war nirgendwo zu sehen. Okay, dachte er, war ja so vereinbart. Sabine würde er erst im Flugzeug treffen. Sie wollten jedes Risiko ausschlieÃen, dass man sie vorher zusammen sah. Sitzplätze würden sie nebeneinander haben, er Reihe 2B und sie 2A am Fenster. Diese Plätze hatten sie online reserviert, nachdem klar war, dass Sabine nach Mombasa mitkommen würde.
Sie hatte sich zunächst mächtig dagegen gewehrt, dass er überhaupt nach Kenia reiste.
»Das Risiko ist zu groë, hatte sie am Telefon gejammert. »Wenn dich deine Verfolger in Kenia erwischen, hast du nicht die geringste Chance.«
»Wer soll denn überhaupt wissen, dass ich nach Kenia reise?«
»Das kriegen einige in der Firma mit, die Reisestelle, die Sekretärinnen«, ereiferte sich Sabine. »Von unserem Ausflug nach Mespelbrunn haben sie auch gewusst. Das kann ich mir bis heute nicht erklären.«
Sabine lieà sich erst beruhigen, nachdem Thomas zugestimmt hatte, dass sie ihn nach Mombasa begleiten würde. Natürlich durfte das nicht über die Firma laufen, sondern sie hatte separat und heimlich den Flug gebucht.
»Mit meinem Opa kriegâ ich das klar«, verkündete Sabine, »der freut sich bestimmt, wenn ich nach Kenia fliege, so begeistert wie er von diesem Land ist. Und meinen Eltern sage ich es erst, wenn wir unterwegs sind.«
Immerhin hatte Thomas Sabine davon überzeugen können, dass sie ihn nicht nach Nairobi begleitete.
»Mombasa okay, aber dann fliegst du zurück und ich erledige meine Aufträge in Nairobi. Ich hätte gegenüber der Firma ein ganz schlechtes Gefühl, wenn ich dich auch nach Nairobi noch mitnehmen würde.«
Widerwillig hatte Sabine zugestimmt.
Thomas Drucker ging durch die Passkontrolle, nahm dort kurz seine dunkle Sonnenbrille ab, und begab sich zum Gate in der Abflughalle C. Der Flug nach Mombasa war mehrfach durch die Lautsprecher aufgerufen worden, doch Sabine erschien immer noch nicht. Langsam wurde er unruhig. SchlieÃlich begann das Boarding. Thomas stand auf und ging zur Schlange, die sich am Gate bildete. Sabine war nicht zu sehen. Dafür stieà ihm eine rothaarige junge Frau in die Rippen, die es offensichtlich besonders eilig hatte.
»Na, na«, beschwerte sich Thomas, dann blieben ihm die Worte im Halse stecken. Die Rothaarige hatte eine dunkle Sonnenbrille auf, steckte in einem hautengen Safari-Anzug und war ohne Zweifel Sabine.
»Donnerwetter!«, entfuhr es Thomas. »Du hast es ganz schön eilig, an Bord zu kommen.«
Mehr sagte er nicht, denn er wollte keinerlei Aufsehen erregen. Sie gefiel ihm mit ihren kurzen roten Haaren. Sie hätte ihm wohl auch mit grünen Haaren gefallen. Er war glücklich, dass sie da war und sah sie erleichtert an. Erst im Flugzeug sprachen sie wieder.
»Schön, dass wir zusammen sitzen«, sagte Sabine. Sie rutschte ans Fenster durch, während Thomas sein Handgepäck verstaute. Leise Musik ertönte aus den Lautsprechern. Er nahm Platz und lehnte sich entspannt in seinem Sitz zurück. Die Lichter der Flughafengebäude wurden kleiner, als die Maschine startete, die Autobahn war bald nur noch eine rot-weiÃe Lichterkette in der Landschaft, schwarzgraue Wiesen, Felder und Wälder huschten unter ihnen vorbei, bevor das Flugzeug in die Wolken stieÃ, die wie riesige grauweiÃe Wattebäusche am Fenster vorbeizogen. Kurz darauf hatten sie die Wolkendecke durchbrochen und
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