Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutstern

Blutstern

Titel: Blutstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
Vom Netzwerk:
Bernhard Flieger seinen Neffen. »Schön, dass du gleich kommen konntest. Am besten erklärst du die Sache selbst. Also Michael, was ist dir aufgefallen? Leg los.«
    Dieses ›Leg los‹ klang in Thomas Druckers Ohren wie die Aufforderung zum Duell. Es schien, als ob Bernhard Flieger sich regelrecht darüber freute, dass sein Neffe einige Schwachpunkte gefunden hatte, die er vortragen würde. Jetzt machen sie mich in der Firma fertig, dachte Thomas. Er trank Mineralwasser und schwitzte noch mehr. Wie aus weiter Ferne hörte er die vorwurfsvolle Stimme von Michael Hofmann.
    Â»Wir haben keine Facebook-Fanpage«, beklagte er sich. »Das wäre das Mindeste, was man heutzutage haben müsste. Schauen Sie sich zum Beispiel die Lufthansa-Fanpage an, Herr Drucker. Da sehen Sie, wie man so etwas macht.«
    Â»Wir sind natürlich keine Fluggesellschaft. Es kommt auf die Zielgruppe an«, wehrte sich Thomas Drucker.
    Â»Zielgruppe, Zielgruppe«, fiel ihm Michael Hofmann ins Wort. »Das müssen Sie mir nicht erzählen. Natürlich muss so eine Seite unseren Belangen angepasst werden, aber Hauptsache, wir erstellen überhaupt etwas in dieser Richtung.«
    Thomas begriff, dass es keinen Zweck hatte, weiter zu widersprechen. »Ich werde das selbstverständlich anpacken«, sagte er.
    Â»Der Fabrikverkauf läuft ebenfalls denkbar schlecht. In den vergangenen Monaten gingen die Umsätze spürbar zurück. Da muss bessere Werbung gemacht werden«, legte Hofmann nach.
    Thomas Drucker ersparte sich eine Gegenrede. »Selbstverständlich werde ich die Möglichkeiten prüfen und Ihnen und Ihrem Onkel Vorschläge unterbreiten.«
    Â»Schließlich könnten wir in punkto Öffentlichkeitsarbeit noch mehr tun. Die Konkurrenz ist teilweise wesentlich stärker mit redaktionellen Veröffentlichungen in den Modezeitschriften vertreten. Wir könnten dadurch viel Geld sparen – mehr PR-Veröffentlichungen, dafür weniger Ausgaben für bezahlte Werbung.«
    Michael Hofmann lehnte sich zufrieden in seinem Besprechungsstuhl zurück und genoss seinen Erfolg. Es war ihm nicht entgangen, dass Thomas Drucker inzwischen ziemlich kleinlaut in seinem Sessel saß und zu allem Ja und Amen sagte.
    Â»Das sind alles berechtige Punkte«, griff jetzt Bernhard Flieger wieder ein. »Also, Thomas, du nimmst die Dinge in Angriff und legst uns bitte konkrete Vorschläge vor. Und dir, lieber Michael, natürlich vielen Dank, dass du so aufmerksam warst. Gemeinsam sind wir stark. Das war immer unser Wahlspruch.«
    Thomas fragte sich im Stillen, ob er zu diesem ›gemeinsam‹ gehörte. Vielleicht wollten sie ihn gemeinsam fertig machen. Vielleicht sollte Michael Hofmann die Marketingleitung übernehmen und die Kündigung lag schon in der Schublade. Er verabschiedete sich und ging zurück zu seinem Büro.
    Â»Na, war wohl ein unangenehmes Gespräch«, begrüßte ihn Stefanie Bauer, seine Sekretärin.
    Â»Wieso meinen Sie?«
    Â»Sie sehen blass und verschwitzt aus … Wenn ich mir den Hinweis erlauben darf, Herr Drucker.«
    Â»Jaja, diese drückende Schwüle heute. Ich muss mich gleich mal frisch machen.«

 
13
    Â 
    Einige Tage später wurde Thomas Drucker zum Seniorchef gerufen. Das könnte mein Ende sein, dachte er. Nach den Vorwürfen von Michael Hofmann hatte er Angst, dass sie ihn entlassen würden. Er eilte, wie stets vor wichtigen Gesprächen, kurz zur Toilette, nahm seine lederne Besprechungsmappe mit und ging zum Vorzimmer von Johann Flieger. Dessen Sekretärin war nicht zu sehen. Die Tür zum Büro stand offen. Er sah Johann Flieger hinter seinem Schreibtisch sitzen und in irgendwelchen Unterlagen blättern. Thomas klopfte an die offen stehende Tür und der alte Johann Flieger sah auf.
    Â»Ah, prima Herr Drucker, treten Sie näher. Ich muss etwas mit Ihnen besprechen.«
    Sein Tonfall klang freundlich, fast euphorisch, und hörte sich nicht nach Kündigung an. Aber man wusste nie bei Johann Flieger.
    Die Wand hinter seinem Schreibtisch hatte er mit Souvenirs aus Kenia dekoriert. Zwei Massai-Speere waren dort befestigt, daneben ein aus Leder gefertigter Schild, ein ziemlich langer Hirtenstab, eine kunstvolle Holzmaske sowie verschiedene farbenfrohe Schmuckbänder und -reifen. Zwischen allem dominierte ein Foto, auf dem man die Massai beim Tanz sah.
    Â»Wie geht es Ihnen, Herr

Weitere Kostenlose Bücher