Blutstern
würde sie zerreiÃen, einfach unten zerreiÃen, bevor die Wehe nachlieà und sie sich erholen konnte.
»Bald hast du es geschafft«, stand ihr Maria bei. »Noch zwei Mal oder drei Mal. Länger kann es nicht mehr dauern.«
Doch es dauerte. Sie zählte schon gar nicht mehr. Sie versuchte bei Bewusstsein zu bleiben, trotz der Schmerzen, die immer schlimmer wurden.
»Oh Gott, oh Gott«, schrie sie als die nächste Wehe kam. Es war die schlimmste bisher. Sie spürte sie bis in die Fingerspitzen. Ihr ganzer Körper bestand aus Schmerzen, sie hatte das Gefühl, in der Mitte auseinandergerissen zu werden, sie biss in ihr Kissen, schrie, kreischte, bis plötzlich der Druck nachlieÃ, als ob etwas in ihr geplatzt war, endlich geplatzt war und sie verlassen durfte.
»Es ist da«, hörte sie Maria. Ihre Schwester kam hinzu. Sie zogen das Kind aus ihr heraus, hoben es hoch, bis es schrie, schaukelten es auf ihren Armen, steckten die Schere in kochendes Wasser, bevor sie die Nabelschnur abbanden und durchtrennten.
»Es ist ein Junge, ein Junge, Ilona. Hier, sieh.«
Sie legten ihr das schreiende Bündel an die Brust und der Kleine suchte mit seinen Lippen, schmatzte, so gut er konnte. Danach kehrte Ruhe ein.
»Siehst du, es ging besser, als du dachtest«, sagte Maria. Sie erwähnte nicht das Pentagramm, das sie gesehen hatte, diesen Stern aus Blut, der sich auf dem Laken zeigte, als der Kopf des Jungen erschien. Warum sollte sie es auch erwähnen? Vielleicht hatte sie sich den Blutstern nur eingebildet. Inzwischen war sowieso alles voller Blut, die Nachgeburt musste entfernt werden, ihre Schwester machte das gut, wozu es also erwähnen?
»Einen schönen Jungen hast du, Ilona. Es ist unser Junge, Ilona. Ich freue mich so. Komm, gib ihn her, wir wollen ihn baden.«
Ilona wollte ihn noch nicht hergeben. »Lass ihn mir noch.«
»Nun gib schon. Er muss gebadet werden.«
Sie legte ihn in die Waschschüssel, in der er gut Platz hatte. Es schien ihm zu gefallen. Er streckte sich ganz lang als ob er ins Leben hinaus wollte. Sie rieben ihn ab und legten ihn in ein Badetuch und trugen ihn zurück zu Ilona.
»Wir müssen ihn bald taufen lassen«, sagte Maria. »Am besten bei der Schmerzhaften Muttergottes in der Sandkirche. Die kann Wunder vollbringen.«
»Der Kleine braucht erst einen Namen«, lachte Ilona. »Thomas werde ich ihn nennen.«
»Thomas?«
»Ja, Thomas Drucker, klingt gut.«
»Du weiÃt hoffentlich, dass Thomas der Jünger war, der an der Auferstehung gezweifelt hat«, gab Maria zu bedenken.
»Das hat nichts mit diesem Kind zu tun«, lachte Ilona. »AuÃerdem, Jünger ist Jünger und auch Thomas hat am Ende geglaubt.«
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Die Taufe fand zwei Wochen später statt. Maria hatte darauf gedrängt, dass Ilona nicht zu lange wartete. »Man weià nie, was einem Menschen passieren kann«, hatte sie gesagt. »Da ist es besser, getauft zu sein.«
Sie hatte einen alten Priester der Sandkirche überredet, die Taufe vorzunehmen. Zwar schlug er vor, die Taufe in der Stiftsbasilika zu feiern. Das sei üblich und zu angenehmeren Zeiten möglich. Aber nachdem er die Geschichte von Ilona und Maria hörte, nachdem sie ihm erzählt hatte, dass sie die schwangere Ilona nach einem Gebet bei der Schmerzhaften Muttergottes im Park oberhalb des Gotteshauses entdeckt hatte, war er ebenfalls davon überzeugt, dass die Taufe nur in der Sandkirche stattfinden könne.
»Man muss die Zeichen des Himmels beachten«, erklärte er im Vorgespräch, und sie vereinbarten eine Messfeier für Sonntag um 8.15 Uhr. »Messen zu späteren Zeiten lesen wir in der Sandkirche leider nicht und wir wollen, dass die Gemeinde Anteil nimmt.«
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Ein paar Tage später war es so weit. Maria Beletto war in heller Aufregung. Sie stand um 6 Uhr auf, half Ilona den kleinen Thomas zu baden und zu wickeln, trieb ihren Alberto zur Eile an, damit sie pünktlich bei der Sandkirche wären. Das schönste Taufkleid hatte sie besorgt, das man sich vorstellen konnte, und sie hatte beim Juwelier etwas gekauft, das sie in einer kleinen Schatulle seit Tagen ganz wichtig in ihrer Wohnung hin und her trug.
Kurz vor 8 Uhr traten sie auf den RoÃmarkt. Die Luft war noch kühl im Frühjahr um diese Zeit, obwohl die Sonne schien.
»Kommt, wir beeilen uns«, drängte Maria. Sie wollte auf
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