Blutstern
sich allein war, und zum ersten Mal hatte Thomas das Gefühl, dass der alte Herr an seine Grenzen stieÃ. »Keiner in der Familie war von dieser Verbindung begeistert, vor allem Bernhard und seine Frau hatten sich einen ganz anderen Schwiegersohn vorgestellt«, fuhr der alte Flieger fort. »Doch Sabine hat sich nicht von ihrer Liebe abbringen lassen. Aber was erzähle ich Ihnen da, Herr Hauser, entschuldigen Sie, ich wollte Sie damit nicht belästigen.«
»Das macht nichts. Wir sind ja über Kenia auf das Thema gekommen«, versuchte Thomas den alten Herrn zu beruhigen.
»Ach ja, Kenia«, der Seniorchef wirkte fahrig und unkonzentriert. »Könnten Sie sich vorstellen, für mich nach Kenia zu reisen, Herr Hauser? Ich würde mir wünschen, dass Sie nach Thomas Drucker suchen. Persönlich erreicht man in einem solchen Land meistens mehr.«
Jetzt war es heraus und Thomas Drucker traute seinen Ohren kaum. Der alte Johann Flieger wollte, dass er in Kenia nach seinem Vorgänger suchte. War das womöglich eine Falle, die der Seniorchef gerade aufstellte? Wusste er um sein Geheimnis?
»Ich weià nicht«, zögerte Thomas.
»Ja klar, das kommt plötzlich für Sie, Herr Hauser«, sagte Flieger verständnisvoll. »Natürlich können Sie sich das in Ruhe überlegen. Allzu viel Zeit haben wir allerdings nicht. Wenn es noch Spuren von Thomas Drucker in Kenia gibt, werden sie bestimmt mit jedem Tag schwächer. Spätestens in zwei Wochen sollten Sie starten.«
24
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Durch das Gespräch mit Johann Flieger war Thomas ziemlich aus der Bahn geworfen. Es wurde ihm klar, dass er nur wenig Zeit hatte, denn nochmals nach Kenia schicken lassen, würde er sich nicht. Er vertraute sich Kommissar Rotfux an, der ihm ebenfalls abriet, nach Kenia zu reisen.
»Wir wissen nicht, ob es vielleicht eine Falle ist. Das wäre viel zu gefährlich«, sagte er. »Versuchen Sie, den alten Flieger hinzuhalten und möglichst viel in der Firma herauszufinden. SchlieÃlich kann er Sie nicht zwingen, nach Kenia zu gehen.«
Also arbeitete Thomas als Peter Hauser weiter bei Flieger-Moden und hielt Augen und Ohren offen. Mehrmals begegnete ihm Sabine, aber er wagte es nicht, sie anzusprechen, um sich nicht zu verraten. Dann verhalf ihm ein glücklicher Zufall zu einer völlig neuen Erkenntnis. Er war mit den Absatzzahlen des Monats Juli beschäftigt und wollte diese mit den Zahlen der Vorjahre vergleichen. Er wusste, dass Bernhard Flieger umfangreiche Statistiken führte, die er jedoch unter Verschluss gehalten und nur bei Bedarf gemeinsam mit ihm angesehen hatte. Da der Geschäftsführer weiterhin in Untersuchungshaft saÃ, war die einzige Möglichkeit, an die Statistiken heranzukommen, seine Sekretärin, Karin Duckstein. Er rief sie an, stellte sich dumm, erklärte was er suchte und tat so, als ob er nicht wüsste, wo im ganzen Haus er diese Statistiken bekommen könne.
»Oh, da haben Sie Glück, Herr Hauser«, flötete ihm Karin Duckstein entgegen, »ich glaube, ich kann Ihnen weiterhelfen. Wenn Sie einfach vorbeikommen, können wir gemeinsam schauen.«
Das lieà sich Thomas Drucker nicht zweimal sagen. Er ging zur Toilette, kämmte seine blond gefärbten Haare, rückte die Hornbrille mit dem getönten Fensterglas zurecht und betrat wenig später das Vorzimmer von Bernhard Flieger.
»Hallo, Herr Hauser«, begrüÃte ihn Karin Duckstein freundlich. »Ich hoffe, ich kann Ihnen wirklich helfen.«
»Das wäre prima. Es ist wichtig für die Firma.«
»Klar, jetzt wo Bernhard in Haft sitzt, müssen wir tun, was wir können.«
Thomas hatte das deutliche Gefühl, dass sie sich als Retterin der Firma aufspielen wollte. Gerissen war sie. Hatte sich an Bernhard Flieger herangemacht und genoss jetzt offensichtlich ihre wichtige Rolle. Auf ihren hochhackigen Pumps stolzierte Karin Duckstein in das Büro ihres Chefs. Ihr knackiger Po wackelte vor Thomas, sodass er einen Moment fast vergaÃ, was er suchte. Sie war wie immer perfekt gestylt, hatte Strähnchen in ihren kurzen blonden Haaren und beugte sich über den Schreibtisch von Bernhard Flieger.
»Hier, in diesen Hängeregistern müssten die Statistiken sein«, sagte sie, während sie eine Schublade auf der rechten Seite des Schreibtisches aufzog. »Vielleicht schauen Sie am besten selbst, Herr Hauser.«
»Aber
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