Blutstern
Bild seiner Mutter, welches er in dessen Schreibtisch gefunden hatte.
Flieger sah sich das Bild an und zog die Stirn in Falten. »Woher haben Sie das?«
»Aus Ihrem Schreibtisch.«
»Wie bitte?« Flieger erhob sich empört. »Sie schnüffeln in meinem Schreibtisch herum?«
»Bitte, es war Zufall, ich habe es zufällig entdeckt«, wehrte sich Thomas.
»Zufall, Zufall. Sie haben in meinem Schreibtisch herumgewühlt. Das wird Konsequenzen haben, wenn ich wieder drauÃen bin.«
Bernhard Flieger ging ärgerlich im Besucherzimmer auf und ab.
»Wollen Sie den Besuch beenden, Herr Flieger?«, fragte der anwesende Vollzugsbeamte.
»Nein, lassen Sie nur, damit komme ich klar«, brummte Bernhard Flieger und setzte sich wieder. Der Vollzugsbeamte wies Thomas darauf hin, dass er Bernhard Flieger nichts übergeben dürfe.
»Ich zeige ihm nur ein Bild und einen Brief von früher«, erklärte Thomas.
»Muss eigentlich alles genehmigt werden. Aber ich will mal ein Auge zudrücken.« Weitere fünf Minuten waren inzwischen vergangen und Thomas Drucker sah wieder unruhig auf seine Uhr.
»Hier der Brief«, sagte er und reichte ihn Bernhard Flieger.
Flieger las den Brief und wurde ganz still. »Jaja, sie hat mich geliebt. War nur eine kurze Affäre. Leider vielleicht, sie war wohl ein besonderes Mädchen. Warum zeigen Sie mir das Bild und den Brief?«
Thomas zögerte. Sollte er jetzt unumwunden die Wahrheit sagen? Er sah auf seine Uhr. Fast 15 Minuten waren vergangen. Er durfte nicht noch mehr Zeit verlieren.
»Die Frau auf dem Bild ist meine Mutter.«
»Ihre Mutter?«, wunderte sich Bernhard Flieger.
»Ja, ich habe das Bild mit alten Fotos verglichen, die ich selbst von ihr habe. Sie ist eindeutig meine Mutter.«
»Und warum erzählen Sie mir das? Wie geht es Ihrer Mutter? Will sie etwas von mir? Schickt sie GrüÃe?«
»Nein, sie kann keine GrüÃe schicken. Sie ist tot.«
Bernhard Flieger sah Thomas Drucker verständnislos an. »Nun verstehe ich überhaupt nichts mehr«, murmelte er. »Warum zeigen Sie mir das Bild und den Brief dieser Toten?«
»Weil Sie meine Mutter ist.«
»Und was hat das mit mir zu tun?«
»Sie hat Sie geliebt, Sie haben mit ihr geschlafen, Herr Flieger ⦠«
Thomas sprach jetzt erregt, hatte das Gefühl, seine Mutter gegen diesen Ignoranten verteidigen zu müssen, der nicht ahnte, worum es ging.
»Nun ja, das war damals meine heiÃe Zeit. Ich hatte mehrere Mädchen. Habâ die eine oder andere geliebt, das ist so, wenn man jung ist.«
»Und Sie haben keine Ahnung, was aus ihr geworden ist?«
»Nein, aber Sie sagten doch, sie sei tot. Was also soll das Ganze?«
Thomas Drucker sah auf die Uhr. Noch zehn Minuten bis zum Ende der Besuchszeit. »Sie ist tot. Meine Mutter ist Ilona Drucker, die im Pompejanum ermordet wurde. Offensichtlich waren Sie früher mit ihr befreundet.«
Bernhard Flieger schluckte. »Ja, das stimmt, Ilona hieà sie, den Nachnamen hatte ich längst vergessen. Und jetzt wollen Sie mir den Mord in die Schuhe schieben! Aber ich schwöre, ich habe mit den Morden nichts zu tun.« Bernhard Flieger war auÃer sich. Seine Müdigkeit schien plötzlich wie verflogen.
Thomas Drucker nahm seine dicke Hornbrille ab und sah Bernhard Flieger direkt in die Augen. Er hatte das Gefühl, sich nicht mehr verstellen zu dürfen. »So wie es aussieht, bin ich Ihr Sohn«, sagte er leise.
»Mein Sohn?« Bernhard Flieger begann zu lachen. »Das ist der beste Witz, den ich je gehört habe. Man verdächtigt mich des Mordes, was natürlich völliger Quatsch ist, und jetzt kommen Sie und wollen mein Sohn sein.«
»Es gibt einen Vaterschaftstest. Kommissar Rotfux hat einen machen lassen. Das Ergebnis ist eindeutig.«
Bernhard Flieger lachte weiter. »Schauen Sie sich mal Ihren Bart und Ihre Haare an, junger Mann. Beides strohblond. Sie können unmöglich mein Sohn sein.«
»Haare und Bart sind gefärbt. Ich musste mich verstecken.«
»Das wird ja immer verrückter.«
»Ja, alles ziemlich verrückt. Seit ich aus Kenia zurück bin, musste ich sehr vorsichtig sein. Habe mir einen neuen Namen und ein anderes Aussehen zugelegt.«
Bernhard Flieger sah ihn verständnislos an. »Einen neuen Namen? Ein anderes Aussehen?«, stammelte er. »Dann heiÃen Sie
Weitere Kostenlose Bücher