Blutstrafe - Thriller
wir haben es hier mit Hohlspitzgeschossen zu tun.«
Stimmt, das waren weitere gute Nachrichten. Wir hatten es nicht nur mit einem ganz normalen mörderischen Durchgeknallten zu tun, sondern auch noch mit einem, der mit besonders tödlicher Munition herumhantierte.
Kyle Devens lag noch immer auf dem schicken Teppich. Von meiner Position aus sah ich die Leiche auch noch im drei Meter hohen Dreifachspiegel in der Ecke – eine Komposition aus Blut, Tod und zerbrochenem Glas, multipliziert mit drei. Ich blickte hinab auf die klaffenden Wunden in seiner Brust.
» Ja, wenn man einen unbewaffneten Krawattenverkäufer angreift, weiß man, dass es nur darum geht, sich der Macht entgegenzustellen.«
Doch fast beunruhigender als das Maß der Gewalt war die Akribie des Täters. Er war nicht nur schnell und effizient gewesen, sondern hatte auch Handschuhe benutzt, um seine Waffe zu laden.
Ich dachte an den Mord im 21 Club und bekam die vage, ungemütliche Ahnung, dass wir es mit demselben Mann zu tun hatten.
Mein Gefühl, dass dies ein höllisch langer Tag werden würde, war hingegen keine vage Ahnung mehr. Es hing an mir wie ein triefender Regenmantel.
16
Der gedämpfte Aufruhr im Erdgeschoss deutete darauf hin, dass der Gerichtsmediziner eingetroffen war. Ich wollte ihm nicht im Weg stehen und erledigte einen Anruf nach Midtown South, um herauszufinden, ob es bereits weitere Anhaltspunkte zu den beiden Übergriffen gab, die Commissioner Daly erwähnt hatte.
Der Fall wurde von Detective Beth Peters bearbeitet, die erst vor kurzem ihren Abschluss an der Akademie gemacht hatte und die ich noch nicht kannte.
» Das Mädchen von der U-Bahn sagt, jemand habe sie gestoßen. Sie achtete nicht darauf, deswegen weiß sie nicht, wer es gewesen ist. Doch ein Dutzend Zeugen sahen einen Mann neben ihr stehen. Eine ältere Dame schwört, dass er sie absichtlich mit seiner Hüfte stieß, und auch mehrere andere Zeugen glauben, dass es so war.«
» Beschreibung des Typen?«, fragte ich.
» Wird nicht Ihren Erwartungen entsprechen. Ein Geschäftsmann, sehr gepflegt, trug einen, ich zitiere: › prachtvollen‹ maßgeschneiderten Anzug. Weiß, männlich, um die dreißig. Schwarzes Haar, eins fünfundachtzig, zwischen neunzig und hundert Kilo. Mit anderen Worten, ein metrosexueller Soziopath. Ganz das 21. Jahrhundert.«
Detective Peters war forsch, klar und boshaft. Mit ihr würde ich bestens zurechtkommen.
» Leider genau passend«, stimmte ich zu. » Gibt es irgendwas auf Video, zum Beispiel, in welche Richtung er abzog?«
» Wir haben uns die Aufzeichnungen der Überwachungskameras von Macy’s und ein paar anderen Plätzen rund um den Herald Square besorgt. Die Zeugen sehen sie sich derzeit an, aber ich erwarte nicht allzu viel davon. Die 34th Street und Seventh Avenue zur morgendlichen Stoßzeit ähneln dem Yankee-Stadion nach einem Spiel.«
Gab es einen Zusammenhang zwischen einem gepflegten, schön gekleideten Mann und dem teuren Herrenbekleidungsgeschäft, in dem ich gerade stand? Spielte bei diesen Verbrechen das Thema Oberschicht eine Rolle?
» Zumindest können Ihre Zeugen diesen Wahnsinnigen identifizieren, sobald wir ihn geschnappt haben«, sagte ich. » Danke, Beth. Wir halten uns gegenseitig auf dem Laufenden.«
Als ich den Anruf beendet hatte, gönnte ich mir eine sechzigsekündige Pinkelpause. Die Angestelltentoilette war zwar klein, aber fast ebenso luxuriös wie der Rest des Ladens. Und es roch nicht nach Kotze. Ich gab der Toilette vier Sterne.
Ich nutzte die Gelegenheit, um zu Hause anzurufen.
» Es tut mir wirklich leid«, sagte ich Mary Catherine, als sie antwortete. » Du weißt, ich wollte heute frei machen, um dir zur Hand zu gehen, aber es gibt da einen Wahnsinnigen – oder vielleicht auch mehrere –, der die Stadt unsicher macht … na ja, jedenfalls werde ich eine Weile nicht nach Hause kommen.«
» Ich werde es schon schaffen, Mike. Eigentlich bin ich froh, dass du mir nicht auch noch zwischen den Füßen rumläufst«, entgegnete sie.
Ob man dies noch als Kompliment werten konnte? Egal, jedenfalls konnte ich mich auf dieses Mädchen verlassen.
» Tausend Dank, Mary. Ich melde mich wieder, sobald ich kann.«
» Moment«, hielt sie mich auf. » Hier ist jemand, der mit dir reden will.«
» Daddy?« Es war Chrissy, meine Jüngste. Ihr » wundes Zäpfchen«, wie sie ihre Halsschmerzen nannte, schien tatsächlich etwas besser geworden sein. Ich dankte dem lieben Gott für die kleinen Gaben.
»
Weitere Kostenlose Bücher