Blutstrafe - Thriller
Lehrer zwinkerte und erhob sein Glas über der Leiche. » Und auf morgen, wenn wir ordentlich auf den Putz hauen.«
24
Morgens um halb sieben saß in den Reihen der Holy Name Church auf der Upper West Side keine Menschenseele. Mit den noch immer dunklen Buntglasfenstern hätte dies der erhabenste Ort in Manhattan sein können.
Genau hier lag das Problem, dachte Vater Seamus Bennett, der sich unter dem Altar versteckte.
Er vollzog keine neue Form der Unterwürfigkeit der Kirche gegenüber. Weit gefehlt – er lauerte jemandem auf. In den vergangenen zwei Wochen hatte ein Dieb die Sammelbüchsen am Eingang ausgeraubt, und Seamus war entschlossen, den Täter auf frischer Tat zu ertappen.
Er schob das Altartuch zur Seite und spähte mit gerunzelter Stirn durch sein Fernglas hinaus. In zwei Stunden würde sich das wundervolle Licht durch die bunten Fenster ergießen. Jetzt allerdings, nach fast einer Stunde, in der er hier saß, ohne dass sich in der Kirche etwas getan hätte, war es so düster, dass er kaum die Eingangstür erkennen konnte.
Doch der Dieb war schlau. Er oder sie ließ immer etwas Geld in den Büchsen zurück, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass niemand den Diebstahl bemerken würde. Seamus allerdings wusste verdammt gut, was hier geschah – die täglichen durchschnittlichen Spenden waren um mehr als die Hälfte gesunken. Dies bedeutete jedoch, dass der Dieb heimlich ans Werk ging und sich in der Dämmerung in die Kirche schlich, ohne dass Seamus es bemerkte. Er wollte nicht das elektrische Licht einschalten, weil es morgens nie eingeschaltet wurde. Mit jeder Änderung im Ablauf hätte Seamus sich verraten.
Er nahm sein Fernglas herunter und schenkte sich aus der Thermoskanne, die er mitgebracht hatte, etwas Kaffee ein. Nächstes Mal würde er auch einen Ventilator mitnehmen. In dem engen Raum war es stickig. Und ein Kissen. Auch ein Liegestuhl wäre gut. Seine Beine und sein Hintern waren taub, weil er im Schneidersitz auf dem kalten Marmor saß. Hilfreich wäre auch ein Partner, jemand, mit dem er sich abwechseln könnte. Vielleicht einer seiner Diakone.
Schuld an alldem war sein unkooperativer Enkel, dachte Seamus mürrisch. Mike hatte sich geweigert, den Tatort von der Polizei untersuchen und ein FBI-Profil erstellen zu lassen. Eher noch hatte er sich über den Fall lustig gemacht. War es denn für die Ehre Gottes zu viel verlangt?
» Man sollte doch meinen, ein Polizist in der Familie wäre ganz praktisch«, murmelte Seamus zwischen zwei Schlucken Kaffee.
Das Klingeln seines Mobiltelefons erschreckte ihn, und er schlug sich den Kopf an der Unterseite des Altars an, als er in seiner Tasche kramte.
Der Anrufer war kein Geringerer als Mike. Na, so was! Wenn man vom Teu…
» Ich brauche dich, Monsignore«, begann Mike. » Hier. Sofort. Bitte und danke.«
» Oh, ich verstehe«, erwiderte Seamus. » Als ich deine Hilfe brauchte, hieß es › tut mir leid, Vater‹. Aber jetzt, wo du mich brauchst …«
Doch Mike hatte bereits aufgelegt. Seamus klappte sein Telefon laut zu. » Du glaubst vielleicht, es reicht, einfach nur höflich zu sein«, ärgerte er sich. » Aber der alte Priester durchschaut dich bis in die hintersten Winkel deines hinterlistigen Herzens.« Er krabbelte unter dem Altar hervor und rieb sich seinen schmerzenden Rücken.
Plötzlich fragte jemand: » Monsignore, sind Sie das?«
Seamus wirbelte herum. In der Tür zur Sakristei stand Burt, der Küster, und starrte ihn verwundert an.
» Sei nicht dumm, Burt«, brummte Seamus. » Siehst du nicht, dass ich der böse Zwilling von Vater Bennett bin?«
25
Wenn man aufwacht und bereits völlig im Eimer ist, weiß man genau, der Tag wird hart. Ich fiel förmlich aus dem Bett und huschte durch die Wohnung, um die Kranken zu zählen. Stöhnen und Jammern drang mir aus jeder Ecke entgegen. Es bestand kein Zweifel – meine Familie hatte es noch schlimmer erwischt. Von meiner Wohnung als einer Krankenstation zu reden passte nicht mehr. Ich befand mich in einem Lazarett, das unter Beschuss stand.
Gleich nach dem Aufstehen setzte ich Hühnersuppe auf und stellte einen Wackelpudding in den Kühlschrank. Anschließend rannte ich – einen kalten Lappen in der einen, ein Fieberthermometer in der anderen Hand, auf dem Rücken meine Fünfjährige – von einem Kind zum anderen, um Fieber zu messen, den erhitzten, schwitzenden Kindern etwas zum Trinken zu verabreichen und diejenigen warm einzupacken, die unter Schüttelfrost
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