Blutstrafe - Thriller
fünf Stunden am Stück tief und fest geschlafen hatte.
Kaum zwei Minuten vor Beginn der Besprechung betrat ich die Eingangshalle des One Police Plaza und fuhr mit dem Fahrstuhl in den elften Stock in denselben überfüllten Konferenzraum, an dem das erste Treffen stattgefunden hatte. Dieselben müden, abgespannt aussehenden Polizisten saßen dort. Ich schenkte mir einen Kaffee ein, schnappte mir einen Schoko-Donut und setzte mich zu den anderen.
Pünktlich auf die Sekunde stürmte McGinnis den Konferenzraum. Über dem Kopf hielt er eine Ausgabe der Post mit der Überschrift » Haben Sie diesen Mann gesehen?«. Darunter befand sich das Bild des Lehrers aus der Überwachungskamera.
» Die Antwort lautet Ja«, verkündete McGinnis und pfefferte die Zeitung auf den Konferenztisch. » Vor einer Stunde hat eine Stewardess der Air France den Mörder für uns erkannt.«
Spontaner Applaus erfüllte den Raum. Gott sei Dank, dachte ich. Beth Peters, die neben mir saß, und ich knufften die Fäuste gegeneinander. Ich war so selig, dass ich McGinnis die Verwendung des Wörtchens » uns« durchgehen ließ, ohne dass er genau gesagt hatte, wen er damit meinte.
Unsere Spur hatte zu einem Erfolg geführt. Endlich konnten wir uns gezielt an dieses Tier heranschleichen.
» Der Verdächtige heißt Thomas Gladstone«, fuhr McGinnis fort und teilte Blätter aus. » Er war früher Pilot bei British Airways und lebt in Locust Valley draußen auf der Insel.«
Locust Valley. War dies nicht der Ort, an dem Leute wohnten, die nach Thurston J. Howell III. klangen? Piloten verdienten zwar recht gut, befanden sich jedoch in der Nahrungskette relativ weit unten. Vielleicht erklärte dies einige seiner hochgestochenen Ziele. Vielleicht war Gladstone bei Ralph Lauren und im 21 Club hochnäsig abserviert worden und hatte sich gedacht, weniger Trinkgeld zu geben würde seine Unzufriedenheit nicht in angemessener Weise ausdrücken.
» Wir haben auch ein auslösendes Ereignis«, erklärte McGinnis. » Gladstone sollte letzte Woche von Heathrow nach New York fliegen, war aber betrunken und wurde vor die Tür gesetzt. Und wir haben auf dem Pendlerparkplatz von Locust Valley seinen Wagen gefunden, der mit Strafzetteln übersät ist.«
Ich nickte heftig. Endlich ging es weiter. Auf der Liste, warum Menschen ausrasteten, stand der Verlust einer Arbeitsstelle ganz oben.
» Gibt es bereits einen Haftbefehl?«, erkundigte ich mich.
» Den werden wir haben, wenn wir dieses jämmerliche Schwein schnappen«, antwortete McGinnis. » Die Fahrzeuge der Spezialeinheit warten unten. Wer hat Lust auf eine kleine Fahrt an die Goldküste?«
Grinsend sprang ich ebenso wie meine Kollegen vom Stuhl auf. Ich fühlte mich völlig erfrischt, obwohl ich meinen Kaffee nicht angerührt hatte.
55
Der Marktplatz von Locust Valley schien nur von schiefergedeckten Antikläden, Boutiquen und vornehmen Geschäften umgeben zu sein. Unser Treffpunkt war ein Parkplatz auf der Forest Avenue hinter einem Laden, der mit » Rundumpflege für Fahrzeug und Motor« beschildert war. Vielleicht war ich ja ein Banause, doch das Ganze sah mir verdächtig nach einer gewöhnlichen Werkstatt aus.
Die Spezialeinheit des Nassau County und sogar einige Einsatzkräfte des Suffolk County warteten bereits auf uns. Wenn man es mit einem Polizistenmörder zu tun hat, ist die Kooperation zwischen den Behörden mehr als eine Selbstverständlichkeit.
» Morgen, Jungs«, grüßte ich und rief sie zu einer Lagebesprechung zu meinem Wagen.
Die Nassauer Mannschaft hatte bereits Wachen rund um Gladstones Grundstück postiert. Dort gab es keine Anzeichen von Aktivität, und niemand war hineingegangen oder herausgekommen. Anrufe wurden vom Anrufbeantworter entgegengenommen. Gladstone hatte eine Frau namens Erica und zwei studierende Töchter, die aber noch nicht ausfindig gemacht werden konnten, wie ich erfuhr.
Tom Riley, der Lieutenant der Nassauer Spezialeinheit, warf auf die Motorhaube meines Chevy einige digitale Fotos von der Vorder- und Rückseite von Gladstones weitläufigem Haus mit überdachter Terrasse und Swimmingpool. Die Außenanlage war tadellos – japanischer Ahorn, Chrysanthemen, Schmuckgräser. Eindeutig nicht die Art von Haus, die man mit einem durchgeknallten Mörder in Verbindung bringen würde.
Wir überlegten, wie wir das Haus stürmen könnten. Zu verhandeln stand nicht zur Debatte. Wir hatten einen Haftbefehl, das reichte. Doch in Anbetracht von Gladstones Schießwut plus der
Weitere Kostenlose Bücher