Blutstrafe - Thriller
stillzuhalten. Ich blickte zu dem jungen Mann zurück, der tot auf dem Bürgersteig lag, zuckte zusammen, als ich seinen blutdurchtränkten Schritt sah.
Ich verfluchte mich, weil ich den Lehrer provoziert hatte, beruhigte mich aber wieder. Er hätte ohnehin jemanden umgebracht. Er brauchte nur einen billigen, hässlichen Vorwand, um mir die Schuld aufzuladen.
Ich wollte warten, bis ich von Angesicht zu Angesicht vor ihm stünde. Dann würde ich meiner Wut freien Lauf lassen.
53
Als ich zu Hause ankam, merkte sogar der Portier, dass mit mir nicht zu spaßen war. Mein harter Gesichtsausdruck musste mich verraten haben.
In der Wohnung prüfte ich, ob alle Fenster und Türen verriegelt waren, bevor ich ins Schlafzimmer ging.
Man würde Riechsalz brauchen, um mich am Morgen zu wecken, doch das war mir egal. Die Zähne putzte ich mir auch nicht, hatte ich doch kaum die Energie, mir die Schuhe auszuziehen. Ich würde ins Bett fallen und schlafen, bis mich jemand mit aller Gewalt hinauszerren würde.
Ich hatte gerade mein geliebtes Kissen an mich gedrückt, als jemand auf der anderen Bettseite loskicherte.
Nein, flehte ich. Bitte, lieber Gott, mach, dass das nicht wahr ist!
Mein Kissen wurde fortgezogen. Shawna lag neben mir und strahlte mich mit breitem Lächeln an.
» Süße, das ist nicht dein Bett«, wies ich sie sanft zurecht. » Das ist auch nicht die Badewanne. Willst du ein Pony, Shawna? Daddy besorgt dir eine ganze Herde, wenn du ihn ein bisschen in Ruhe lässt.«
Kopfschüttelnd ließ sie sich auf dieses Spiel ein. Mir war nach Heulen zumute. Ich war verdammt, das wusste ich. In einer großen Familie ist es einfacher, Dinge für kleine Kinder zu erledigen, statt sitzen zu bleiben und ungeduldig zu warten, bis sie es selbst tun. Instinktiv wissen sie das. Sie spüren die leeren Drohungen genauso, wie Polizeihunde Sprengstoff aufspüren. Widerstand ist zwecklos. Man wird gefangen genommen.
Während mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, kicherte noch jemand, der am Fußende in mein Bett krabbelte. Ich musste nicht nachsehen, um zu wissen, dass Chrissy die Bühne betrat. Sie und Shawna hingen zusammen wie Pech und Schwefel.
Als Nächstes zogen winzige Hände an meinem rechten Fuß den großen und den Nachbarzeh auseinander.
» Zehenempfindlichkeitstraining«, schrien meine Töchter übermütig, während sie mit ihren Fingern zwischen meinen Zehen rieben.
Als ich es nicht mehr aushielt, setzte ich mich auf, um ihnen zu sagen, dass sie in ihr eigenes Bett gehen sollten. Doch ich besann mich eines anderen, als ich ihre unverfälschte Freude sah. Ach, was soll’s. Zumindest kotzten sie nicht.
Abgesehen davon, wie konnte man mit einem Lichtstrahl und einem Engel streiten?
» Also gut, ich zeige euch, was Zehenempfindlichkeitstraining heißt«, warnte ich sie zum Spaß.
Mit ihrem fröhlichen Quieken drohten sie die Glühbirnen zu zersprengen, als ich versuchte, bei beiden gleichzeitig den vulkanischen Nervengriff anzusetzen.
Ein paar Minuten später, nach einem ausgeklügelten Ritual, bei dem Stofftiere und Quietschkissen angeordnet wurden, hatten sich meine Töchter neben mich gelegt.
» Erzähl uns eine Geschichte, Daddy«, verlangte Chrissy, als ich mich ins Kissen fallen ließ.
» Okay, Schatz«, erwiderte ich mit geschlossenen Augen. » Es war einmal ein armer Detectiv, der in einem Schuh lebte.«
54
» Bennett! Sind Sie da?«
Erschrocken richtete ich mich auf und tastete nach meiner Dienstwaffe, während eine schrille Stimme ein Loch in mein Trommelfell bohrte. In meiner Verwirrung war mir nicht klar gewesen, dass ich in meinem von der Sonne erleuchteten Schlafzimmer lag, ohne von einem düsteren Albtraum heimgesucht zu werden. Mein Mobiltelefon lag aufgeklappt neben dem Kissen. Eins meiner Kinder musste das Gespräch angenommen und in zuvorkommender Weise neben den Kopf ihres schlafenden Papas geschoben haben.
Ich hob das Telefon mit leicht zitternder Hand an mein Ohr. » Ja?«, meldete ich mich.
» Besprechung um neun Uhr im Plaza, und ich meine nicht das Eichenzimmer«, schnauzte der Chief of Detectives, McGinnis, und legte ebenso brüsk auf, wie er gesprochen hatte.
Ich schaffte es nicht nur in genau zehn Minuten, in meinem Dienstwagen zu sitzen, sondern hatte sogar geduscht und mich angezogen. Während ich losfuhr, kramte ich im Handschuhfach nach dem Elektrorasierer, den ich dort für Notfälle aufbewahrte. Ich hatte das Gefühl, gestorben und im Himmel zu sein, nachdem ich fast
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