Blutstrafe - Thriller
das mit Blut und Hirnmasse verklebt gewesen war. Anschließend hatte er die Leiche sorgfältig gekämmt und in einen Matrosenanzug samt Krawatte gesteckt.
Auch der Lehrer hatte sich, passend für eine Beerdigung, einen Anzug in geschmackvollem Schwarz angezogen. Die Flasche schob er dem Toten in die Innentasche seiner Jacke.
» Es tut mir so leid«, flüsterte er und beugte sich hinab, um die blasse, leblose Stirn zu küssen.
In der Küche nahm er seine Pistolen vom Schrank, lud sie und schob sie in die Halfter. Die Polizei könnte jeden Moment eintreffen.
Aus dem Schrank unter der Spüle nahm er einen vollen Benzinkanister, mit dem er ins Esszimmer ging. Starker, süßlicher Geruch erfüllte die Wohnung, als er die Leiche mit dem Benzin in der Form eines Kreuzes tränkte, beginnend an der Stirn bis zum Schritt, dann von einer Schulter zur anderen.
» Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes«, sagte er feierlich.
Er warf einen langen letzten Blick auf das Gesicht, auf die traurigen blauen Augen, auf die wie in leichtem Missfallen gekräuselten Lippen. Leise schluchzend ging er rückwärts zur Wohnungstür, während er großzügig das restliche Benzin über den Holzboden goss.
Das Feuerzeug, das er aus seiner Tasche zog, war mit den Insignien der Marine verziert. Tief durchatmend, wischte er seine Wangen trocken und legte das kühle Metall des Feuerzeugs an seine Stirn. Hatte er etwas vergessen?
Er schleuderte den leeren Kanister Richtung Esszimmer und ließ das Feuerzeug aufflammen, das er geschickt und siegesgewiss hinterherschnippte wie eine gute Spielkarte.
Nichts vergessen, dachte er.
Der Luftdruck, der gleichzeitig mit dem lauten, wummernden Geräusch entstand, ließ seine Haare zurückflattern, als ein Feuerball wie ein Meteor durch die Wohnung schoss. Das Esszimmer ging in Flammen auf wie eine Packung Streichhölzer.
Ein paar weitere Sekunden blickte er gebannt auf den pechschwarzen Rauch, der mit der Wucht eines Güterzugs durch die Wohnung fauchte.
Dann zog er die Tür hinter sich zu, nahm die Schlüssel aus der Tasche und schloss ab.
63
Anzug und Hut des Portiers der 1117 Fifth Avenue waren in genau demselben Jagdgrün gehalten wie die Markise über der Tür.
» Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte er, als ich die Eingangshalle betrat.
» Detective Bennett«, erwiderte ich und zeigte ihm meine Dienstmarke. » Ich muss zu Mr. oder Mrs. Blanchette.«
Erica Gladstone, die ermordete Ehefrau in der Villa in Locust Valley, gehörte zu den Blanchettes. Ihr Vater Henry war Inhaber der Blanchette Holdings, der Private-Equity- und Übernahmefirma, die Unternehmen und selbst Hedgefonds erzittern ließ.
Ich war hier, um sie über Ericas Tod zu unterrichten und vielleicht einen Hinweis zu erhalten, der mich zu ihrem Amok laufenden Schwiegersohn führte.
Eine schicke Holztäfelung und ein Kristallleuchter zierten den Fahrstuhl zu ihrer Penthouse-Wohnung. Sogar ein Butler öffnete die Tür, allerdings im Bademantel. Hinter einer Terrassentür stieg Dampf aus einem Swimmingpool mit Olympiamaßen auf, dessen Rand mit den Bäumen des zwanzig Etagen tiefer liegenden Central Park zu verschmelzen schien.
» Mr. und Mrs. Blanchette werden sogleich herunterkommen, Detective«, meldete der aalglatte Butler mit englischem Akzent. » Wenn Sie mir ins Wohnzimmer folgen würden.«
Ich betrat ein mit Seide tapeziertes Zimmer in der Größe eines Flugzeughangars. Bilder, die eine Galerie füllen könnten, hingen an über zwei Stockwerke reichenden Wänden, davor standen Designermöbel und Skulpturen. Mein Blick wanderte von einem Pollock, der so groß wie ein Spielfeld war, zu einem chinesischen Steindrachen, der auf keinen Fall in den Fahrstuhl gepasst haben konnte.
Diese Wohnung wäre bereits ohne Pool die schickste, opulenteste und luxuriöseste Wohnung gewesen, die ich je gesehen hatte. Und ich las Architectural Digest. Nun ja, zumindest jedes Mal, wenn ich einen Zeitschriftenladen betrat.
» Ja? Sie sind Detective Bennett? Henry Blanchette. Wie kann ich Ihnen helfen?« Ich wurde von einem kleinen, liebenswürdigen Mann in kurzer Sporthose und schweißnassem T-Shirt begrüßt. Ich war angenehm überrascht, dass er eher wie ein freundlicher Buchhalter als wie der Gordon-Gekko-Typ aussah, auf den ich mich gefasst gemacht hatte.
» Um was geht’s?«, fragte mit strenger Stimme eine attraktive platinblonde Dame, die um die fünfzig Jahre alt zu sein schien. Sie stolzierte, mit einem kurzen
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