Blutstrafe - Thriller
leid. Man darf über eine solche Tragödie keine Witze reißen. Komm, ich lade dich zu einem Bier ein.«
» Eine Beerdigung?« Der Hüne wirkte besänftigt. » Das ist hart.«
Der Lehrer bestellte bei der Herrin der Ringe zwei weitere Biere. Als er eine der Flaschen vor den Arbeiter stellte, tat er so, als stolperte er ungeschickt, und ließ einen Barhocker auf den Boden kippen.
» O nein«, stöhnte er. » Tut mir leid. Ich fürchte, ich hab ein bisschen zu viel getrunken.«
» Ja, du solltest lieber mal etwas lockerer werden, Kumpel«, tröstete ihn der Arbeiter und bückte sich, um den Hocker wieder aufzuheben.
Der Lehrer zog ihm eine Flasche über den Hinterkopf, so dass der Mann zu Boden knallte, die zweite Flasche schlug er ihm ins verblüffte Gesicht. Der Mann hatte kaum Zeit zu stöhnen, als der Lehrer dessen Arm über die Fußstütze aus Messing zog und mit einem kräftigen Fußtritt brach. Es klang, als würden zwei Billardkugeln aneinanderstoßen.
So viel dazu, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, dachte er, als er sich zum Ausgang zurückzog.
» Sprich mir nach, du Karotten-Heini«, rief er an der Tür. » Nicht krank, sondern draufgängerisch.«
66
Die Sondereinheit brauchte nur fünf Minuten bis zu dem Haus, in dem die Blanchettes wohnten. Steve Reno und ich sahen uns zunächst die Ein- und Ausgänge an, dann beschlossen wir, einen Polizisten als Portier zu tarnen sowie einen weiteren in der Garderobe der Eingangshalle und eine Truppe in einem Zivilfahrzeug auf der anderen Straßenseite neben dem Tor zum Park zu positionieren.
Nachdem wir alles dreimal kontrolliert hatten, übergab ich Reno die Verantwortung und beschloss etwas zu tun, was mir schon seit langem auf dem Herzen lag.
Die Sonne senkte sich über Jersey, als ich bei dem Riverside Park hinter meinem Haus hielt. Am Ende eines Weges überquerte ich einen verlassenen Ballspielplatz und ging auf einer Lichtung neben einem Eichenschössling mit Blick auf den Hudson in die Hocke. Ich warf ein paar Zigarettenkippen und eine Wasserflasche, die unter dem Baum lagen, in eine mitgebrachte Plastiktüte und ließ mich auf dem Boden nieder.
Den Baum hatten ich und meine Kinder nach dem Tod meiner Frau gepflanzt. Sie war zwar auf einem Friedhof in Westchester beerdigt, doch wenn ich mich mit ihr unterhalten musste, was ziemlich oft vorkam, landete ich gewöhnlich hier. Die meiste Zeit saß ich nur hier, bis ich das Gefühl bekam, dass sie bei mir war – irgendwo hinter mir wie bei den zahllosen Picknicks, die wir hier mit unserer kunterbunten Bande abgehalten hatten.
Als ich nach hinten zu unserer Wohnung blickte, sah ich zwei meiner Kinder am Küchenfenster. Fiona und Bridget, vermutete ich. Vielleicht vermissten sie ihre Mutter ebenso wie ich. Ich wünschte mir, sie wäre hier, um sich um die Kinder zu kümmern, um sie aufzumuntern und die Dinge wieder zurechtzurücken.
Ich winkte zu ihnen hinauf. Sie winkten zurück.
» Wir schlagen uns so durch, Schatz«, sagte ich dem Wind. » Wir schaffen es gerade so, aber was sollen wir tun? Ich liebe dich trotzdem, wenn das ein Trost ist.«
An der Wohnungstür kam mir Mary Catherine entgegen. An ihrem besorgten Blick merkte ich, dass etwas nicht stimmte.
» Was ist los?«, fragte ich.
» Seamus«, antwortete sie ernst.
Ich folgte ihr in mein Schlafzimmer. Seamus lag auf der Bettdecke, die Augen geschlossen, blasser im Gesicht als üblich. Eine Sekunde lang fürchtete ich, er wäre tot, bis sein schmaler Brustkorb unter seinem römischen Kragen in einem Hustenanfall zu zittern begann.
O Gott, dachte ich, das klingt nicht gut. Nun hatte auch er sich die Grippe eingefangen, was für einen über 80-Jährigen äußerst gefährlich war. Meine Güte, wie dumm war ich gewesen, ihn überhaupt in die Nähe meiner Familie zu lassen. Von Panik gepackt, überlegte ich, was ich ohne ihn nur anstellen sollte.
Doch irgendwann würde ich ihn ganz bestimmt verlieren, flüsterte eine leise, böse Stimme in mein Ohr.
Ich schüttelte den Gedanken ab und ging in die Küche, wo ich die Flasche Whiskey aus dem Schrank holte. Ein paar Fingerbreit davon schenkte ich in ein passendes Glas samt warmer Milch und Zucker.
» Gott liebt dich, mein Junge«, stöhnte er, nachdem er ein paar Schluck genommen hatte. » Jetzt hilf mir aus dem Bett, ich will zurück in mein Pfarrhaus.«
» Wag ja nicht, diese Wohnung zu verlassen, du alter Mann«, drohte ich. » Bleib liegen und trink deine Medizin, sonst rufe ich einen
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