Blutsvermächtnis (German Edition)
seine Sinne und lullten ihn ein. Wie war er bloß in diese Situation geraten? Sein Körper war eingesperrt, aber seine Gedanken schwebten in die Wüste, das Camp.
Sie waren am Morgen des elften Januar zur Grabungsstätte aufgebrochen. Seine beiden vertrauenswürdigsten Mitarbeiter und er. Die genauen Koordinaten kannte nur er. Nicht einmal Nevaeh hatte er diese anvertraut. Die Befürchtung, dass die Information nach außen gelangte, dass ihm einer zuvorkäme, war immens. Nicht, dass er seiner Tochter nicht traute, im Gegenteil. Auf sie war Verlass. Dennoch wollte er sie mit dem Wissen nicht in Gefahr bringen, auch wenn er wusste, dass sie eine starke Frau war, die sich nicht unterkriegen ließ. Sein Informant hatte ihn eindringlich gewarnt. Er hatte behauptet, zwielichtige Gestalten wollten ebenfalls nur zu gern die Grabstätte finden. Nevaeh hatte sich strikt geweigert, Joshuas Bitte zu entsprechen und die Teilnahme an der Expedition abzusagen. Er hatte ihr den Grund nicht nennen wollen.
Die Geschichte mutete zu fantastisch an, das Versprechen, das der Unbekannte ihm gegeben hatte – und das inmehrfacher Bedeutung: die Aussicht auf Bewahrheitung eines Wunschbildes, großartig und begeisternd und gleichzeitig unglaublich und ungeheuerlich. Das Gen der Unsterblichkeit! Aus unerfindlichem Grund glaubte Joshua felsenfest daran, dass er es finden würde. Er hatte diesen Auftrag zunächst ablehnen wollen, sich dann jedoch bewusst gemacht, dass sein Kontakt ihn bislang nie in die Irre geführt hatte. Dass er ihm Wohlstand und Ansehen verdankte. Angefangen hatte es vor Jahren mit einer von der Universität finanzierten Forschungsreise nach Ägypten. Er kehrte ruhmreich mit einem beachtlichen Fund zurück, mit dem er sich die ersten Sporen in der Fachwelt verdiente. Und das nur, weil sein Mittelsmann ihm die Daten genannt hatte. Er beanspruchte nichts für sich. Auf die Frage nach dem Warum hatte der Fremde geantwortet, dass er seine Genugtuung aus der Tatsache ziehe, dass seine Intuition sich als richtig erweise. Er habe nicht die Mittel, eine eigene Expedition auf die Beine zu stellen.
Joshua wusste nicht, welcher Teufel ihn geritten hatte, dass er es tat. Wahrscheinlich sein Übermut, der Erfolgsdrang, die Verpflichtung seinen Kindern gegenüber, der Druck, der damals auf ihm lastete nach dem Verlust seiner Frau. Das dringend benötigte Geld. Es spielte keine Rolle mehr. Heute hing so viel Wichtigeres davon ab. Die Verheißung, das Gen der Unsterblichkeit zu entdecken, stellte ein nicht zu verachtendes Argument und seine letzte Hoffnung für Noahs und Nevaehs Leben dar. Für ihr Überleben. Grund genug, sich erneut auf dieses merkwürdige und seit Jahrzehnten ungemein verlockende Spiel einzulassen.
Vor drei Tagen, auf halbem Wege zu der Grabungsstätte hatte ein Lieferwagen am Straßenrand gestanden. Kein Mensch war zu sehen gewesen, aber als sie das Fahrzeug passierten, schoss man auf sie. Der Jeep schlingerte, rutschte in eine Sanddüne und blieb mit durchdrehenden Reifen stehen. Geistesgegenwärtig hatte er sich fallen lassen und in den Fußraum gequetscht, während sein Beifahrer Mika versuchte, die einzige Pistole, die sie hatten, aus dem Handschuhfach zu zerren. Ein Schuss streckte ihn nieder und auch Pits heiseres Gurgeln auf der Rückbank hatte Ungutes prophezeit. Dann platzten fast seine Trommelfelle, das Rattern aus Maschinengewehren erfüllte die Luft und kurze Zeit darauf folgte ein gewaltiger Knall. Benzingeruch und Rauch brannten ihm in der Nase, ließen das Atmen fast unmöglich werden. Schließlich holte ihn das metallische Klicken einer Waffe aus seiner Starre und jemand mit kehligem Akzent befahl: „Aussteigen! ¡Arrea!“
Danach wies seine Erinnerung Lücken auf und setzte erst wieder ein, als man ihn aus diesem Loch in den Waschraum schleppte. Bis zu seinem Erwachen unter dem karibikblauen Himmelbett klaffte weitere gähnende Leere. Es gelang ihm nicht, die Geschehnisse in eine Reihe zu bringen. Militär. Er war sicher, dass es Leute in Soldatenuniformen waren, die ihn aus dem Wagen gezerrt hatten und auf den Rücksitz eines Jeeps stießen. Einer der Kerle war mit Coronel angesprochen worden. Dieser Mann hatte ihm befohlen, sich zu waschen und umzuziehen. Das bösartig ausgestoßene „¡Arrea!“ hallte in seinem Schädel nach.
Wenn er sich nur einen Reim auf das alles bilden könnte. Die Wirkung des Alkohols verflüchtigte sich allmählich und mit ihm das Bild des Monsters mit den spitzen
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