Blutsvermächtnis (German Edition)
erstaunlichem Appetit zu. Dad hatte wie immer recht, auch darin, dass ein gutes Frühstück die Lebensgeister weckte – egal in welcher Situation.
Nach einer ausgiebigen Dusche stiefelte sie mit Catalina auf der Erkundung des Grundstücks durch den Tiefschnee. Unter dem mittlerweile fast wolkenlosen Himmel, der eisigen Luft und der Weite der Natur glaubte Nevaeh plötzlich, Ruhe und Frieden finden zu können. Vergessen. Und allein das war es, was sie derzeit wollte.
„Schau nur!“ Die Haushälterin eilte voraus. Sogar unter dem Schneeanzug wogten ihre Hüften wie mächtige Tannen im Wind. Neben einem nahezu völlig zugeschneiten Stapel gespaltener Holzscheite wedelte die Inkafrau mit den Armen herum. Beim Herantreten erkannte Nevaeh, dass die weiße Pracht eine Holztür verbarg. Sie gehörte zu einem Gartenhäuschen, dessen Umrisse sie nur schwerlich ausmachte. Ihr Herz klopfte schneller. Eine Erinnerung trachtete danach, an die Oberfläche ihres Bewusstseins zu drängen. Sie spürte es, wollte es verhindern, doch mit einem Mal schrumpfte sie zur Größe eines Gartenzwergs, ihr lang ausgestreckter Arm hing an der Hand ihrer Grandma, deren Locken wie der Schnee auf dem niedrigen Dach des kleinen Schuppens glitzerten. Die Tür quietschte in den Angeln. „Engelchen, möchtest du ein Geheimnis mit mir teilen?“
Nevaeh nickte.
„Wenn du einst hierher zurückkehrst, wird dir alles einfallen, was wichtig für dich ist. Du wirst dich an das entsinnen, was ich dir erzähle und das Wissen um das Vermächtnis deines Blutes wird dir klar werden.“
„Was denn, Granny?“
„Alles, mein Engel. Alles. Du musst nur eines Tages zurückkehren. Und das wirst du. Weißt du, was eine Eselsbrücke ist?“
„Nein.“
„Glaubst du, du kannst dir eine Geschichte merken?“
„Ja.“
Das Bild verschwamm, dafür hörte das Quietschen nicht auf. Nevaeh rieb sich mit dem Handschuh die Augen.
„Da stehen nur eine rostige Schubkarre und ein paar Spaten. Und … schau an. Wie heißen diese neumodischen Dinger?“ Catalina war die Enttäuschung anzuhören. Sie schob die Tür in ihre ursprüngliche Position und stapfte auf Nevaeh zu.
Ihr gelang gerade eben ein Blick auf das Schneemobil. „Motorschlitten. Ski-doo. Wollen wir eine Runde drehen?“
Catalina gab ein Ächzen von sich und stemmte beide Hände in die Nierengegend. „Liebes, Väterchen Frost hockt mir im Kreuz. Ich könnte eine Tasse Kaffee vertragen.“
Nevaeh schmunzelte. Sie waren nicht einmal zwanzig Minuten im Freien. „Geh nur ins Haus zurück. Ich komme gleich nach, ja?“
Catalina schnaufte. „¡Bien! Apresúrate por favor.“ 6
„Natürlich. Ich werde dich nicht lange warten lassen. Machst du mir bitte einen Tee?“
Die Haushälterin eilte davon. Nevaeh schaute ihr nach, bis sie um die Hausecke entschwand. Dann öffnete sie die Schuppentür.
Seven horses ate pudding especially ravenous
…
Der Gedanke verflog, wiederholte sich anschließend wie ein Mantra. Was schlummerte in ihrem Unterbewusstsein? Sieben Pferde aßen Pudding besonders heißhungrig … Unsinn. Es ergab keinerlei Sinn, außer, dass Grandma ihr ein Märchen erzählt hatte.
Misstrauisch starrte Nevaeh in das Gerätehäuschen und begann, es Teil für Teil auszuräumen. Sie würde sich nicht jetzt auch noch von harmlosen Märchengeschichten verrückt machen lassen. Dieser Schuppen barg nichts als Gerümpel, und das würde sie sich beweisen. Simple Gartenwerkzeuge. Kahler Holzfußboden. Sie klopfte jede Diele ab, rüttelte an den Bohlen der Wände. Nirgends löste sich etwas, wackelte in der Verankerung. Das Dach, gegen das sie fast mit dem Kopf stieß, gab ebenfalls kein Geheimnis preis. „Siehst du“, murmelte sie, „nur eine harmlose Erinnerung an Granny.“
Nach einer Weile spürte sie die Kälte, die sich nicht mehr ignorieren ließ. Sie brauchte sich nur Catalinas vorwurfsvollen Gesichtsausdruck vorzustellen, da fuhr Hitze in ihre Glieder. Hastig stellte Nevaeh die Gartengeräte wieder in den Schuppen, nur den Motorschlitten nicht. Er machte einen gepflegten Eindruck und sie nahm sich vor, den Verwalter anzurufen und sich zu erkundigen, ob der Schlitten einsatzbereit wäre und wo sie den Schlüssel fände. Angetrieben von der Faszination, einen Ausflug mit dem Ski-doo zu unternehmen, beeilte sie sich, ins Haus zurückzukehren. Garantiert war das Teewasser bereits so eisig wie ihre Finger.
Seven horses ate pudding especially ravenous
…
6 Gut. Beeil dich bitte.
Los Angeles,
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