Blutsvermächtnis (German Edition)
Hintereingang betreten hatten, als Varelas Männer von vorn den Speisesaal stürmten und gleichzeitig den Hof abriegelten. Während ihn drei Uniformträger mit Gewehren im Anschlag in Schach hielten und in eine Raumecke drängten, schob dieser kolossartige Kerl, den er für Varela hielt, Nevaeh an den Schultern rückwärts in die Küche. Eine ruckartige Kopfbewegung gab einem seiner Untergebenen ein Zeichen, sodass dieser sein Handy aus der Tasche zog und Richtung Hof marschierte. Währenddessen sorgten zwei weitere Soldaten dafür, den Saal mit den verängstigten Gästen zu räumen.
Jayden war froh, dass es wenigstens kein Blutbad gab, was er für einen Moment befürchtet hatte, als diese Rambos auftauchten. Doch er war keineswegs sicher, ob Nevaeh und er dieser Klemme heil entkommen würden. Er überschüttete sich mit Vorwürfen, dass er sich so leicht hatte überrumpeln lassen. Er hätte seine Taktik genauer überdenken müssen. Sich bewusst darüber sein sollen, dass er einen Profi vor sich hatte und nicht einen der üblichen Zivilisten, die er in der Regel aufspürte. Die häufig von ihrer Gabe verschreckten und furchtsamen Betroffenen stellten keinen Maßstab für eine Verfolgungsjagd dieser Art dar. Und indes das DPA den von ihm Aufgetriebenen eine faire Chance einräumte, sah Varela mit seinem Gefolge nicht im Entferntesten danach aus, als wäre er ihnen wohlgesinnt. Im Gegenteil, seine Augen blitzten, als würde er sie am liebsten auf der Stelle eliminieren.
Gut, er musste zugeben, dass die Methoden des DPA, paranormal Begabte zur Zusammenarbeit zu bringen, auch nicht stets der feinen Art entsprachen, aber zügellose Gewalt gehörte selten zu den angewandten Mitteln.
Nevaeh schrie auf. Ihr gepeinigter Tonfall brachte ihn um den Verstand. Ohne nachzudenken, stürzte Jayden voran. Er stieß den Soldaten zu seiner Linken mit einem Kinnhaken gegen die Mauer, trat dem rechts von ihm stehenden in die Weichteile und schleuderte ihn seinem Hintermann vor die Brust. Der ließ seine Waffe fallen und fing im Reflex den Kumpanen auf. Jayden gelangen genau sieben Schritte, dann fiel die Überraschung von den Überrumpelten ab. Eine Kugel durchbohrte seine Wade, er spürte, wie sie sein Schienbein durchschlug, hörte sie mit einem dumpfen Geräusch in ein Tischbein vor ihm treffen. Der Länge nach stürzte er auf den Fußboden, fing sich mit den Unterarmen ab und rollte zur Seite. Es folgte kein weiterer Schuss wie erwartet. Trotz der Pein zwang er sich ein Grinsen ab, denn Varelas Bass füllte den Raum und sein wutentbrannter Blick traf ihn. Zwangsläufig hatte er von Nevaeh abgelassen, mit was immer er ihr den gequälten Aufschrei entlockt hatte. Diesen Preis hatte es allerdings nicht kosten sollen.
Jayden rappelte sich auf. Mit dem Rücken rutschte er an einer Wand empor und zog mit den Armen sein verletztes Bein an den Unterleib heran. Der Blutverlust verursachte Benommenheit.
Ein lautes Poltern übertönte beinahe Varelas Befehl. „¡No dispare! ¡No! ¡Apártese! ¡No dispare!“ 9
Nevaeh stürzte auf Jayden zu. Sie sank vor ihm auf die Knie und riss sich die Bluse vom Leib. Selbst durch den Nebel seiner Schmerzen genoss er den Anblick ihres sich unter einem dünnen Hemdchen verführerisch abzeichnenden Busens. Vielleicht war das die letzte Wonne seines Lebens.
Mit den Zähnen zerrte Nevaeh an dem Stoff, bis ein Stück einriss. Sie zog einen Streifen ab und band ihn um den Unterschenkel. Sofort ließ das pulsierende Bluten nach. Als sie das Provisorium zu einem Druckverband ausweitete, keuchte er auf. Seine Wade brannte, als würden Knochensplitter ins rohe Fleisch stechen. Wahrscheinlich war dem auch so, aber das war egal. Er zog Nevaeh an seine Seite, legte einen Arm um ihre Schultern. Sein Blick symbolisierte hoffentlich jedem Anwesenden, dass man ihn erst erschießen müsste, ehe jemand erneut nur auf Armlänge an seinen Schützling herankäme.
Sein Schützling. Pah! Extrem weit hatte er es gebracht mit seinem Schutz.
Nevaeh schwindelte.
Das ist dein Ende. Dein Fehler, hier aufzutauchen
. Coronel Varelas hasserfüllte Worte, seine vor Kälte stechenden stahlgrauen Augen, der erbarmungslose Druck seines Daumens auf ihren Kehlkopf hatten ein Gefühl hinterlassen, als hätte sie eine Handvoll Reißzwecken geschluckt und heißes Blut würde ihre Kehle hinabschießen. So fühlt es sich also an, wenn du deinem Ende gegenüberstehst, hatte sie gedacht, als sie Mordlust in seinem Blick aufblitzten sah.
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