Blutsvermächtnis (German Edition)
Leider hatte ihr Bewusstsein die Flucht in die Besinnungslosigkeit gewählt. Zu gern hätte er die Fortsetzung der Geschichte erlebt, wäre es zu einer Prägung gekommen. Wie es schien, zeigte sich die jetzige Entwicklung jedoch weitaus interessanter. Ein heißer Schauder durchlief seine Glieder, als er die neuesten Kontobewegungen betrachtete. Nevaeh hatte also einen Flug nach Chile gebucht. Das war schneller passiert, als er erwartet hatte. Ob sie Jayden zu Hause begegnet war?
Er rief die Kreditkartendaten von Jayden Caball, Ranua, Finnland, ab. Die höchsten Stellen der CIA kannten Jasons wahre Identität, er brauchte sich nicht darüber den Kopf zu zerbrechen, dass innerhalb der Agency etwas ans Tageslicht käme, das es besser zu verheimlichen galt. Als der Rechner die Informationen ausspuckte, entlockten sie ihm ein müdes Lächeln. Die letzte Zahlung lag drei Wochen zurück und handelte sich um ein Ersatzteil für einen Motorschlitten. Wie langweilig. Jayden war in dem Kaff versumpft, würde wahrscheinlich noch immer die Befehle des Alten ausführen und springen, sobald er pfiff. Sein Grinsen verbreiterte sich, als er daran dachte, wie sehr sie die Rollen getauscht hatten. Nicht nur er war in Jaydens Figur in L. A. geschlüpft, analog dazu füllte sein Bruder Jasons ehemalige Position aus.
Er besann sich seiner Aufgabe. Es war so leicht, so einfach. Zweifellos, es gab einen simplen Weg, Nevaeh nach L. A. zu bekommen. Freiwillig und ohne Zögern. Die Lösung hatte nur vier Buchstaben: N O A H. Er würde nur die Füße stillhalten müssen, bis er Nevaeh in Chile erreichte …
Mit einem zufriedenen Grinsen speicherte er ihre Nummer in seinem Handy und schaltete den Computer aus.
Tal des Todes – Atacamawüste
„S ir, wenn ich Euch kurz unterbrechen darf?“ Crichtons sanfter Bariton mischte sich in eine Sprechpause in dem Dialog zwischen Elia und Joshua.
„Was gibt es, Crichton?“
„Ein Problem in der Stadt, Herr. Ich fürchte, Ihr müsst Euch persönlich darum kümmern.“
Potz Blitz, das war in den Jahrhunderten, die er mit Crichton in seinem unterirdischen Zuhause verbracht hatte, noch nicht vorgekommen. „Entschuldigt mich, Morrison. Wir werden das Spiel zu einem späteren Zeitpunkt beenden. Vielleicht mögt Ihr während meiner Abwesenheit in der Bibliothek stöbern. Fühlt Euch wie Daheim.“ Er beugte sich nach vorn und gab seiner Miene einen verschwörerischen Ausdruck. „Sollte Euch nach etwas genussfreudigem Zeitvertreib gelüsten … die Blauschwarze wird Euch gern zu Diensten sein. Einige der anderen Maiden bestimmt nicht weniger.“
„Ich bitte anfügen zu dürfen, dass Ihr besser nicht auf Sir Elia wartet. Das Dinner wird Euch um sieben serviert.“ Der Butler deutete eine Verbeugung an.
Elia ging voraus in sein Schlafgemach. Das Zimmer maß die Fläche eines halben Tennisplatzes und war im Stil seiner bevorzugten Epoche gehalten. Es hatte eine Zeit gegeben, da war der Raum der verspielten Eleganz des französischen Rokoko gewidmet, vollgestopft mit Originalen in ihrer schwellenden und ausschweifenden Charakteristik. Sein Bett hatte die Form einer asymmetrischen Riesenmuschel besessen, Kommoden, Tische und Stühle zierten Metallapplikationen wie Tierfüße oder Pflanzenornamente. Vor ein paar Jahren kehrte er zurück zum prunkvollen Pomp des Barock, nachdem es ihm gelungen war, explizite Stücke aus der Regierungszeit des Sonnen-königsLudwig XIV. in seinen Besitz zu bringen. Die Rokoko-Elemente waren ihm zu modern.
Mit den extravaganten, opulenten Barockmöbeln wirkte das Schlafzimmer jetzt allerdings viel zu winzig und er überlegte bereits seit Längerem, sich ein größeres Gemach in den Fels schlagen zu lassen, doch diese Erwägungen waren seit Tagen in den Hintergrund gerückt.
Crichton folgte ihm und hielt sich wie immer dezent im Halbschatten.
„Um was für ein Problem handelt es sich, Crichton?“
„Nevaeh Morrison. Sie ist mit einem Mann in San Pedro aufgetaucht und dem Coronel in die Arme gelaufen. Er wartet mit seinen Männern im Paso Los Toros.“
Elia war bei der Erwähnung ihres Namens zusammengezuckt. Hastig öffnete er die Tür zu seinem Ankleidezimmer und griff nach einem Frack. Sofort räusperte sich der Butler leise. Elia drehte sich um und die einseitig hochgezogene Augenbraue des Lakaien entlockte ihm ein Schmunzeln, das jedoch nur halbherzig ausfiel. Seine Gedanken kreisten um Nevaeh. Warum war sie zurückgekehrt?
„Sir Elia, ich wage vorzuschlagen,
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