Blutsvermächtnis (German Edition)
Dream Shaper gegeben hatte. Es war bekannt, wie ihre Leiden endeten.
Joshua suchte seit Jahren nach einer Lösung, das Leben seiner Kinder zu schützen. Dieses unerreichbar geglaubte Ziel war seit dem letzten Anruf seines anonymen Förderers in greifbare Nähe gerückt. So überzeugt seine Kollegen an der Universität von seiner Ubergeschnapptheit wären, hätten sie die geringste Ahnung der wahren Gründe der Expedition, so passioniert vertrat er die Meinung, dass alles möglich war.
Gab es paranormale Energien – und sich diesem Glauben zu entziehen, war unmöglich – war es abwegig, dass das Gen der Unsterblichkeit nur einen Wunschtraum darstellte. Zum wiederholten Mal dachte er daran, wie zu Anfang die Geldnot ihn dazu gebracht hatte, sich auf das zweifelhafte Angebot einzulassen. Als verwitweter Vater von zwei Kleinkindern, ohne finanziellen Rückhalt und getrieben von der Sorge um die außergewöhnliche Befähigung seiner Tochter hatte er sich auf das Unterfangen eingelassen. Im Laufe der Jahre verdrängte er sein Gewissen, ließ sich unverdienter Erfolge feiern und verbannte die Fragen nach dem Motiv des Unbekannten in den Hintergrund. Es war ihm weiterhin egal, sofern sich das Versprechen endlich erfüllte. Mochte der Kerl mit dem Gen anstellen, was er wollte, für Joshua zählte nur eins: Falls es gelänge, das Gen auf Nevaeh und Noah zu übertragen, konnte Nevaehs Gabe selbst mit den schlimmsten Träumen keine Wirkung mehr bei seinem Fleisch und Blut erzielen, denn Noah wäre unsterblich. Und Nevaeh bliebe unglaublich viel Zeit zu lernen, mit ihrer Fähigkeit umzugehen.
Ihm war klar, für wie verrückt andere ihn halten mussten, dass sie seine Erfahrungen mit Nevaeh und die am eigenen Leibe als Hirngespinste abtäten, doch Joshua stand wie ein Fels in der Brandung seiner Überzeugung. Die letzte Gewissheit, dem Gen endlich auf der Spur zu sein, rief ihm der Blick in einen Spiegel zu Bewusstsein: seine Veränderungen, die radikale Verjüngungskur, das kuriose Ausheilen seines Armbruchs binnen Stunden. Eine Eingebung sagte ihm, dass es mit Blut zu tun haben musste und die Erinnerung an einen metallischen Geschmack auf der Zunge untermauerte den Eindruck. Dass ein Arzt ihn untersucht hatte, änderte nichts an seiner Überzeugung, es mit übernatürlichen Phänomenen zu tun zu haben.
Als Joshua dieses Mal die Hand nach der Klinke ausstreckte, gab sie seinem Druck nach. Mit klopfendem Herzen lugte er um die Ecke und vergewisserte sich, dass sich niemand auf dem Gang aufhielt. Er entschied sich für rechts und öffnete die nächstbeste Tür. Ein beleuchtetes Treppenhaus erstreckte sich vor ihm. Joshua trat an das Geländer und schaute hinauf und hinunter. Der Blick offenbarte kein Geheimnis. Wenn er sich tatsächlich in einem unterirdischen Gebäude befand, gäbe es nach oben möglicherweise einen Ausgang. Vielleicht die Chance zur Flucht, aber er war plötzlich nicht mehr sicher, ob er das überhaupt wollte. Zu mächtig umklammerte ihn die Verlockung, das Schachspiel fortzusetzen und weitere Informationen aus Elia Spops herauszukitzeln, auch wenn er ihm in Bezug auf sein Menschsein nicht die Wahrheit gesagt hatte. Spops barg ein Geheimnis. Eines, dessen Aufdeckung Joshua seinem Ziel ein entscheidendes Stück näher bringen würde.
Er wählte den Weg nach oben. Im Notfall wäre es vorteilhaft, einen Fluchtweg zu kennen. Das Treppensteigen fiel ihm leicht. Nach einiger Zeit begannen trotzdem seine Muskeln zu zittern. Joshua zählte die Stufen. Zweiundzwanzig je Treppe. Als er bei 220 anlangte, geriet das merkwürdige Gefühl, das er seit einer Weile verspürte, zu beklemmenderVerwirrung. Die Treppenstufen berücksichtigt, die er nicht mitgezählt hatte, musste er vierzehn, fünfzehn Stockwerke hinaufgestiegen sein. In keinem fand er eine Tür. Joshua blieb auf einem Treppenabsatz stehen und betastete die Wandfläche. Nur glatter Putz bot sich seinen suchenden Fingerspitzen. Er setzte sich und grübelte, glaubte nicht, dass er sich so tief unter der Erde aufhielt, dass er derart viele Geschosse bewältigt haben konnte, ohne dass ein Ende in Sicht kam. Er entschied, umzukehren. Dieses Mal zählte er sechszehn Stöcke, bis er an einem Absatz mit einer Tür angelangte, wahrscheinlich die, durch die er gekommen war. Joshua ließ sie links liegen und begab sich an den Abstieg. Nach fünf Etagen gab er auf. Vermutlich würde er auch hier bis in alle Ewigkeit unterwegs sein und einen Ausgang suchen. Er kam sich vor
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