Blutsvermächtnis (German Edition)
Untergebenen. Ein Erbe der Götter, welche seit jeher die Kraft für ihr Dasein aus dem Glauben der Menschheit an sie sogen. Ahnlich verhielt es sich bei den halbgöttlichen Nachfahren – jedoch konnten diese ihre Jugend nicht allein durch die mentale Energie aufrechterhalten, sondern benötigten stattdessen hin und wieder den Lebenssaft anderer Individuen, um nahezu unsterblich zu sein, um für unendliche Zeit ihre Blüte zu nähren.
Mit einem Schaudern erinnerte sich Elia, dass die Menschen ihn wahrscheinlich zu den Vampiren zählten, einer Gattung, die spät entstanden und allenfalls entfernt mit ihm zu vergleichen war. Er war noch nie einem dieser Wesen begegnet, wusste nicht, woher sie stammten, aber aus jahrhundertealter Literatur bis hin zu den modernen Werken des Medienzeitalters, aus Horrorfilmen und dem Internet war er über die nur in der Tatsache des Bluttrinkens mit seiner Rasse übereinstimmenden Bestien informiert. Er weigerte sich, sich mit der Höllenbrut auf eine Stufe stellen zu lassen. Die Zuordnung fände dennoch unweigerlich statt. Seine Gäste würden verängstigt auf die Erkenntnis reagieren, voller Panik und Unverständnis, getrieben von Fluchtgedanken. Auf diese Art wäre kein faires Kennenlernen möglich. Gab es weitere Charakteristiken, die er auf keinen Fall offenlegen durfte?
Wahrscheinlich wäre es besser, sein Vorhaben abzubrechen und umzukehren.
Joshua schwankte zwischen der Entscheidung, das großzügige und verlockende Angebot seines Gastgebers in Anspruch zu nehmen und dem Reiz, die Gunst der Stunde zu nutzen und in den Räumlichkeiten herumzuschnüffeln. Der heißblütige Blick unter den dunklen Wimpern der jungen Frau mit dem hüftlangen, bläulich-schwarzen Haar, das sie zu einem dicken Zopf geflochten trug, sandte ein begehrliches Prickeln in seine Lenden und erschwerte die Wahl auf unfaire Weise. Der Gedanke an Nevaeh ließ ihn augenblicklich zur Vernunft kommen. Er musste herausfinden, wer oder was Spops war. Der Drang, sein ursprüngliches Ziel beharrlich zu verfolgen, gewann den Kampf über die unschicklichen Gelüste, auch wenn der Gesichtsausdruck der Frau verriet, dass sie keineswegs aus Pflichttreue mit ihm davongeeilt wäre.
„Ihr dürft gehen“, sagte er und versuchte, per Mienenspiel sein Bedauern zu übermitteln und das Versprechen auf eine günstigere Gelegenheit.
Die Zofe zog sich zurück. Joshua durchstreifte den Raum. Das Fehlen der Fenster, das unterschwellige Surren einer Klimaanlage und die fast unsichtbar angebrachten Lüftungsschlitze an verschiedenen Stellen bestätigten Spops Aussage, dass er sich in einem unterirdischen Gebäude befand.
Entgegen der Antwort von Elia Spops verfocht Joshua die Überzeugung, es nicht mit einem Menschen zu tun zu haben. Für ihn galt es als gesichert, dass es Wahrheiten zwischen Himmel und Erde gab, für die das menschliche Gehirn keine Erklärung fand. Nevaeh hielt ihre Gabe eisern unter Verschluss. Doch wie lange reichte ihre Kraft, ehe die Bürde sie erdrückte? Täglich sah er sich dieser Fragestellung gegenüber und der stetig wachsenden Angst um die Zukunft seiner Kinder. Er wusste, mit welchen Dämonen Nevaeh seit dem Tod des kleinen Jannik zu kämpfen hatte und erst recht seit Nomys Tod. Dass sie sich die Schuld gab, obwohl sie es nicht im Geringsten zu verantworten hatte. Man konnte ein Kleinkind nicht für seine Träume verurteilen – selbst wenn diese sich zu trauriger Wahrheit entwickelten.
Den Mord an Nomy würde er niemals einem von Nevaehs Träumen zuschreiben. Nein, das konnte keine Prägung sein. Und selbst wenn … er würde sie nicht verurteilen. Nicht einmal den Hauch einer Schuld würde er ihr zuweisen.
Jeden Tag seines Daseins kämpfte er gegen den Drang, Nevaeh die Last von den Schultern zu nehmen, ihr zu sagen, dass sie kein Verschulden traf. Ein einziger Grund hinderte ihn: die Furcht, dass sie ihre Veranlagung nicht weiterhin zurückhielt, dass die Erleichterung ihre Gabe zum Durchbrechen kommen lassen würde und weiteres Unheil seinen Lauf nahm. Und sei es dadurch, dass sie den Verstand verlor, wie es ihrer Urgroßmutter ergangen war. Dass sie sich von Noah fernhielt, bestätigte seine Annahme, dass Nevaeh sich der Gefahr bewusst war. Sie war verdammt, ihre Paranormalität fest verschlossen zu halten.
Eines Tages allerdings würde die Gabe aus Nevaeh hervorschießen. Das hatte Nomys weise Mutter prophezeit und in ihrer Familie gab es ausreichend Beweise, dass es Generationen zuvor
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