Bluttat
Hindernis. Ich folgte ihr in die Küche, wo sie die Schlüssel und ihre Handtasche auf den Tisch warf, sich setzte und in die Spüle starrte.
Sie wollte nichts essen, akzeptierte aber heißen Tee. Ich brachte ihr einen Becher mit etwas Toast.
»Du bist hartnäckig«, sagte sie.
»So sagt man.« Ich setzte mich auf einen Stuhl ihr gegenüber.
»Es ist lächerlich«, sagte sie. »Ich hatte Patienten, die Schlimmeres durchgemacht haben als das hier. Viel Schlimmeres. Ich glaube, es ist die Kombination dieser besonderen Patientin - vielleicht ist mir die Gegenübertragung außer Kontrolle geraten - und deiner Verwicklung in die Sache.« Sie hob den Becher an die Lippen. »Als ich dich kennen lernte, hat das, was du tust … es hat mich angemacht. Die ganze Polizeikiste, das Heroische daran - hier war jemand aus meiner Branche, der mehr tat, als nur in einer Praxis zu sitzen und zuzuhören. Ich hab dir das nie erzählt, aber ich hatte meine eigenen Heldenfantasien. Wahrscheinlich wegen der Sache, die mit mir passiert ist. Ich vermute, ich habe durch dich gelebt. Darüber hinaus bist du sehr sexy, keine Frage. Ich hatte eine Schwäche für dich.«
Was mit ihr »passiert« war, war sexueller Missbrauch mit siebzehn Jahren. Einige Jahre später hatte sie sich erfolgreich gegen Raub und Vergewaltigung durch Mitglieder einer Straßengang zur Wehr gesetzt.
Sie warf einen Blick auf ihre Handtasche, und ich wusste, dass sie an ihre glänzende kleine Pistole dachte. »Was du tust, macht mich immer noch an, aber das hier war ein herbes Erwachen. Ich begreife allmählich, dass es vielleicht Aspekte dabei gibt, die nicht okay sind.«
»Täuschung zum Beispiel.« Und die Knöchel einer Frau festzuhalten, damit ein Detective ihr die Füße fesseln kann.
Ihre Augen bekamen die Farbe von Gasflammen. »Du hast sie glatt belogen, Alex. Ein Mädchen, das du nicht kanntest, ohne einen Gedanken an die Risiken zu verschwenden. Ich bin sicher, dass es die meiste Zeit nichts Besonderes ist, nur eine Flunkerei, um dem Gesetz Geltung zu verschaffen, und niemand wird verletzt. Diesmal … vielleicht ist es auf lange Sicht wirklich gut für sie. Aber jetzt...« Sie stellte den Becher hin. »Ich sage mir dauernd, wenn sie so nahe am Rand war, wäre sie irgendwann umgekippt. Vielleicht ist mein Ego verletzt. Ich bin überrascht worden …«
Ich berührte sie an der Hand. Sie erwiderte die Berührung nicht.
»Für Milo ist Täuschung okay, ich weiß, mit was für Leuten Cops zu tun haben. Aber du und ich, wir haben die gleiche Zulassungsprüfung gemacht, und wir wissen beide, was unsere Standesrichtlinien sagen.«
Sie machte ihre Hand los. »Hast du es dir genau überlegt, Alex?«
»Das habe ich.«
»Und?«
»Ich bin nicht sicher, ob meine Antwort dich glücklich macht.«
»Es ist einen Versuch wert.«
»Wenn ich Patienten in einem therapeutischen Zusammenhang vor mir habe, finden die Regeln Anwendung. Wenn ich mit Milo arbeite, herrschen andere Regeln.«
»Inwiefern anders?«
»Ich würde niemandem absichtlich wehtun, aber es gibt keine Verpflichtung zur Vertraulichkeit.«
»Oder zur Aufrichtigkeit.«
Ich antwortete nicht. Es hatte keinen Sinn, den Mann zu erwähnen, den ich vor ein paar Jahren getötet hatte. Eindeutig Notwehr. Manchmal erschien mir sein Gesicht im Traum. Manchmal fabrizierte ich die Gesichter seiner ungeborenen Kinder.
»Ich will dich nicht angreifen«, sagte Allison.
»Ich fühle mich nicht angegriffen. Es ist eine vernünftige Diskussion. Vielleicht hätten wir sie früher führen sollen.«
»Vielleicht«, sagte sie. »Also bildest du im Grunde verschiedene Kategorien. Ist das nicht ziemlich anstrengend?«
»Ich kann damit umgehen.«
»Weil böse Menschen manchmal kriegen, was sie verdient haben?«
»Das hilft.« Ich bemühte mich, mit gleichmütiger Stimme zu sprechen. Die richtigen Dinge zu sagen, obwohl ich mich angegriffen fühlte. An sechs, vielleicht sieben Leichen zu denken, ohne eine Lösung in Sicht. An Cherish Daney auf eine Weise zu denken, von der ich nicht lassen konnte.
»Ist Täuschung ein großer Teil von dem, was du tust?«, fragte Allison.
»Nein«, sagte ich. »Aber es kommt dazu. Ich bemühe mich, nicht leichtfertig zu werden, aber ich finde vernünftige Gründe, wenn es sein muss. Es tut mir leid, was mit Beth geschehen ist, und ich werde keine Ausrede suchen. Ich habe sie nur in dem Punkt belogen, dass ich ihr sagte, ich würde eine allgemeine Untersuchung von Pflegefamilien
Weitere Kostenlose Bücher