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Bluttaufe: Thriller

Titel: Bluttaufe: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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    Tannen enthielt sich eines Kommentars und sah auf seine Uhr.
    »Wir müssen noch die Nachbarn des Opfers befragen«, sagte er. »Vielleicht könnten Sie mit dem Abgleich vergleichbarer Taten weitermachen? Sie müssen nur die Kriterien oben in die Suchmaske eingeben, dann wird jeweils ein Kurzbericht über aktenkundige Fälle ausgeworfen.«
    »Damit komme ich klar«, sagte Kaja Winterstein und warf Weitz einen herausfordernden Blick zu. »Wenn Ihr Kollege damit einverstanden ist?«
    »Komm mit«, sagte Tannen zu Weitz.
    Als er an der Tür stand, drehte er sich noch einmal um.
    »Tut mir leid, dass …«
    »Schon gut«, sagte Kaja Winterstein und steckte sich
eine Zigarette zwischen die Lippen. »Ist mir lieber als ein Strauß Blumen zur Begrüßung.«

    Mangold atmete durch. Sagrotan übertünchte nur den Geruch nach Tod. Daran würde er sich nie gewöhnen.
    Ein Chemiker hatte ihm erklärt, dass es mit einem Cocktail aus Körpergasen wie Ammoniak und dem beginnenden Zersetzungsprozess zu tun hatte.
    »Richtig gut wird es, wenn wir den Magen öffnen«, hatte er mit seinem süffisanten Lächeln verkündet. »Ihr seht das ja immer nur in einem gut verschlossenen Weckglas.«
    Undenkbar für ihn, dort länger zu bleiben als unbedingt notwendig. Für diese Arbeit musste man die Menschen auf der Nirosta-Bahre wie verwesende Materie sehen. Ein Studienobjekt, das nichts mehr mit dem eigentlichen Menschen zu tun hatte.
    Für seine Arbeit war das eher hinderlich. Er brauchte die Vorstellung von einem lebendigen Menschen, den man aus dem Leben gerissen hatte. Eine zerstörte Biografie, ein Mensch mit Hoffnungen, mit Freuden und auch in Verzweiflung, etwas Lebendiges. Kein sich abkühlender Leichnam, der ausgeweidet wurde, um anschließend Stück für Stück unter ein Mikroskop geschoben zu werden. Ihm halfen nicht die Bilder eines Toten, er brauchte eine Vorstellung von einem denkenden Wesen, das geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen war. Ein Wesen, das lachen konnte, Angst empfand und die Fähigkeit hatte zu weinen.
    Warum diese punkige Lena ausgerechnet in der Gerichtsmedizin einen Praktikumsplatz antreten wollte, war ihm völlig unverständlich. Musste mit der Sehnsucht
nach dem Morbiden zu tun haben, mit der Neugier auf das Rätsel des Todes. Selbstverständlich hatte er die Gerichtsmedizinerin nicht auf ein Praktikum angesprochen. Wer wusste schon, wie die reagierte, wenn er ihr eine Pubertierende vermittelte. Außerdem dürften im Sektionsbereich nur Medizinstudenten als Hilfskräfte zugelassen sein. Wenn überhaupt. Andererseits gab es diese Seziergehilfen, die alle sehr kräftig gebaut waren und die jeden Tag mit ihren Knochensägen schwer schufteten. Das Benutzen von Elektrosägen wurde in der Pathologie wegen des dabei anfallenden sehr giftigen Knochenstaubs weitgehend vermieden.
     
    Er fädelte sich in den Verkehr auf der Adenauerallee ein und schaltete das Autoradio an. Die eingelegte CD schabte zunächst etwas. Opernarien von Maria Callas.
    Er versuchte, die Bilder der eben durchgeführten Sektion zu verscheuchen. Zur Erläuterung ihrer ersten Ergebnisse hatte die Medizinerin nahezu euphorisch die Tücher weggezogen, um ihre Schussfolgerungen auch gleich am toten Körper zu erläutern.
    Aus den Lautsprechern erklang ein Part aus »La Mamma Morta«. Er handelte von Atropos, in der griechischen Mythologie die älteste der drei Moiren. Vera hatte ihm erklärt, dass sie als Zerstörerin den Lebensfaden der Menschen zu durchschneiden hatte, während ihre Schwester Klotho ihn spann und Lachesis seine Länge bestimmte. Atropos wählte auch die Art und Weise des Todes eines Menschen aus. Dargestellt wurde sie mit einer Schere. Vera hatte damit durch die Luft geschnippelt und gelacht. Ja, in gewisser Weise hatte sie seinen Lebensfaden durchtrennt, zumindest einen Faden seines Lebens.

    Die Musik passte zu dem, was er gerade gesehen hatte. In Anbetracht der abgetrennten Gliedmaßen hatte er sich immer gesagt: Es ist nur Fleisch. Es waren nur die körperlichen Reste eines Menschen, und doch waren in ihm immer wieder Bilder entstanden, die diese Frau beim Gehen, Essen, Laufen, beim entspannten Liegen auf dem Sofa oder im Kreis anderer Menschen zeigten.
    Wie die Menschen da draußen, die in die Geschäfte eilten oder zu den Bushaltestellen, war sie ein ganz normaler Mensch in dieser Stadt gewesen, nur, dass sie ihrem Tod entgegengelaufen war. Wie wir alle, doch sie hatte nicht geahnt, wie schnell er sich ihr

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