Bluttaufe: Thriller
näherte.
Suchte der Täter bereits ein neues Opfer, trieb er es vor sich her oder begegnete er ihnen eher zufällig? War es überhaupt ein Serienmörder, mit dessen Taten sie von jetzt an zu rechnen hatten? Oder hörte er einfach auf, wurde ihm die ganze Monstrosität seines Tuns bewusst? So etwas gab es, doch wahrscheinlich war es nicht. Nach einer solchen Tat gab es in aller Regel kein Zurück.
Mangold parkte vor einem Lokal und stieg dann die Treppen des Gründerzeitbaus hinauf.
»Loft« hörte sich gut an, doch bei Tageslicht war die Behausung des Journalisten Hensen eher eine in größter Eile zusammengezimmerte Dachwohnung. Erhalten geblieben war die massive Metalltür. Für eine Klingel hatte es nicht gereicht. Weil er sich seinen Fingerknöchel nicht verletzen wollte, schlug Mangold mit der flachen Hand gegen die Tür.
»Ist offen.«
Die Dielen im Flur stammten aus der Zeit, als hier noch Wäsche aufgehängt und Gerümpel abgestellt worden war.
Den Flur entlang reihten sich Eisenregale, in denen Aktenordner und Bücher standen. Dazwischen ein altes Diktafon und eine schwarze Underwood-Schreibmaschine aus den 1930er Jahren. Dann wieder Plastiktüten und Stapel von CDs. An den freien Stellen der Wand hatte Hensen seine Skizzen befestigt. Sie zeigten Menschen im Café, zusammengekrümmte Menschen, eine Erschießung, dann wieder Porträts. Hensen saß an seinem Computer und rief ihm durch den Flur »Setz dich, ich bin gleich da« zu.
Das Wohnzimmer mit der weißen Ledercouch und dem Tisch davor war nicht gerade aufgeräumt. Ein breiter Durchgang führte ins Arbeitszimmer. Auch hier stapelten sich Papiere auf dem Boden und in den Regalen.
»Ich speichere das noch schnell ab«, sagte Hensen. Mangold ließ sich auf das Sofa fallen und zog einen Stapel Papiere aus seiner Aktentasche.
Nach zehn Minuten setzte sich Hensen mit zwei Gläsern und einer Flasche Rotwein neben ihn.
»Kannst du sicher brauchen, Peer.«
»Um diese Zeit?«
»Gerichtsmedizin?«, fragte Hensen und deutete auf die Papiere, die Mangold vor sich abgelegt hatte. Mangold schwenkte den Wein in seinem Glas, als wäre er ein guter alter Cognac, den er mit Wärme und Luft versorgen wollte.
»Wie erklärst du dir, dass ein sagen wir siebzehnjähriges Mädchen unbedingt Leichen waschen und in die Kühlkammern schieben will?«
»Der Charme der Pubertät, das geht vorbei. Eine Verwandte?«
Mangold winkte ab und zog den Papierstapel zu sich heran.
»Nicht wichtig. Also zu deiner Rolle bei den Ermittlungen, ich hab grünes Licht. Zu Bedingungen … also wie schon angedroht.«
»Keine Öffentlichkeit, keine Gespräche mit anderen Journalisten, minimale Aufwandsentschädigung, Spesen nur auf Antrag. War’s das?«
»Vor allem Verschwiegenheit, wir dürfen mit den Fakten nur sehr dosiert an die Öffentlichkeit.«
»Klar. Ermittlungstaktik.«
»Angst vor Panik, es hat sich außer dem Polizeipräsidenten auch schon der Innensenator eingeschaltet.«
»Und die sagen dir, in welche Richtung ermittelt wird?«
»Die wollen vor allem über alle wichtigen Entwicklungen informiert werden. Und sie wollen schnell einen Verdächtigen.«
»Was sagen die Leute mit den Knochensägen und Reagenzgläsern?«
»Carla Kanuk war 32 Jahre alt. Ermordet vorgestern zwischen 21 und 24 Uhr plus minus. Wurde mit einem Messer verletzt, dann bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Mit den Händen. Verletzungen wurden ihr zum Teil vor dem Ersticken beigebracht. Dazu gehört das Aufschneiden der Mundwinkel, ein Teil der Verletzungen im Genitalbereich und … die Augen …«
»Augen?«
»Er hat ihr die Oberlider mit Sekundenkleber so an ihre Haut geklebt, dass sie die Augen nicht mehr schließen konnte.«
»Bevor sie starb?«
Mangold nickte und fuhr fort.
»Dann wurde sie entkleidet, gewaschen …«
»Gütiger Himmel.«
»Ja, es gibt Seifenreste. Anschließend wurden mit einer Säge Kopf, Arme und Beine abgetrennt.«
»Dabei muss sie völlig ausgeblutet sein.«
Mangold räusperte sich.
»Nach Eintritt des Todes blutest du nicht mehr, es gibt ja keinen Blutdruck. Es fließt nur noch ab. Auffällig geringe Blutspuren am Auffindeort.«
»Und hat er sie vorher vergewaltigt?«, fragte Hensen.
»Keine Spermaspuren im Genitalbereich, der, wie du gesehen hast, ja ebenfalls mit einem Messer bearbeitet wurde.«
»Bis auf die Samenspuren auf ihrem Oberschenkel.«
»Richtig, die stammen von einem Mann, der tot ist. Kein Doppelgänger, kein eineiiger Zwilling.
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