Bluttaufe: Thriller
gleiche Art und Weise zusammengelegt wie beim Mord an Carla Kanuk. Einer der Fälle war aufgeklärt, und die Täter saßen immer noch hinter Gittern. Bei keinem der Morde war es zu Verstümmelungen gekommen, wie er sie auf den Tatortfotos gesehen hatte. Vielleicht doch ein einmaliger Racheakt, eine Affekttat, die durch die grauenhaften Einzelheiten verschleiert und damit einem Perversen untergeschoben werden sollte?
Warum hatte die Hannoveraner Polizeidirektion ihnen diesen Fall rübergeschoben? Nur wegen eines Kassenbons und der vagen Vermutung, der sei an Mangold »adressiert« gewesen?
Auch in seinem Beruf gab es Zufälle, er hatte das oft genug erlebt. Großartige Verschwörungstheorien halfen meist nicht weiter. Harte kriminalistische Arbeit war der goldene Schlüssel für die Lösung nahezu aller Fälle. Aber dafür war sich Mangold anscheinend zu fein.
»Geht’s hier zum Fliegenbeine zählen?«
Tannen drehte sich überrascht um. In der Tür stand eine blonde Frau mit fein ziselierten Locken. Hellgraues Kostüm, hochhackige Schuhe und Lippen, die mit ihrem Signalleuchten fast ein wenig vulgär wirkten. Die Frau blitzte ihn an und nickte freundlich in Richtung seines Computers.
»Winterstein, Kaja Winterstein«, sagte sie und betrat, die Hand Richtung Tannen ausstreckend, das Büro. Weitz sah von seinem Bildschirm auf und fuhr mit seinen Augen über ihren Körper.
»Da sind Sie hier falsch«, sagte er. »Leider. Fliegenbeine haben wir nicht, und wie ich sehe, Sie auch nicht. Die Sitte ist eine Etage tiefer.«
Tannen, der immer noch ihre Hand hielt, bemerkte ihren verwirrten Blick und wäre am liebsten im Boden versunken.
»Wen suchen Sie, womit kann ich Ihnen helfen?«
»Ja, eigentlich sollte ich per E-Mail angekündigt werden.«
Weitz meldete sich zu Wort.
»Wir haben’s lieber, wenn klappernde Handschellen einen Besuch ankündigen. Gewerbeangelegenheiten … eine Etage tiefer.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. »Auch wenn eine Abwechslung nicht schlecht wäre.«
Kaja Wintersteins Augen blitzten angriffslustig. Sie stellte ein Bein nach vorn.
Dann machte sie einen neuen Anlauf und trat in das Büro.
»Angekündigt? Sind Sie eine Zeugin?«, fragte Tannen.
»So könnte man es nennen. Ich bin Psychologin, man hat mich … nun ja, ausgeliehen.«
»Sie sind …«
»Die Polizeiführung hat mich gebeten, beim Erstellen des Profils behilflich zu sein. Sie sind doch Mangold, Hauptkommissar Mangold?«
Weitz verbarg seinen Kopf hinter dem Monitor.
»Äh, nein, tut mir leid, der ist in der Gerichtsmedizin«, sagte Tannen. Er blickte rüber zu Weitz, doch der hatte sich in Deckung gebracht.
Die Psychologin machte einen Schritt auf seinen Schreibtisch zu und warf ihre Handtasche auf den Stapel mit der ausgehenden Post.
»Und Sie sind?«
»Tannen.«
Sie blickte auf den Bildschirm.
»Sie gehen ähnliche Fälle durch. Und? Schon fündig geworden?«
»Wie man’s nimmt«, sagte er.
»Zeigen Sie mal.«
Ohne hinzusehen, angelte sie mit der Hand nach einem Stuhl und zog ihn zu sich heran.
»Sie haben die Kleiderablage als oberstes Suchkriterium eingegeben, sehr gut.«
»Aber alles andere stimmt nicht«, sagte Tannen.
Kaja Winterstein nickte, fixierte weiter den Bildschirm und sagte:
»Das muss auch nicht sein, es gibt oft nur wenige vorherrschende Muster. Der Täter verändert sich von Tat zu Tat. Vorausgesetzt, er hat Zeit für seine Rituale.«
»Sie meinen, das Zerstückeln der Leiche könnte neu sein?«
»Es gibt Täter, die haben mit Tieren angefangen. Er braucht eine Steigerung, muss die Spirale höher schrauben. Es geht um den Kick.«
Tannen sah zu Weitz hinüber, der mit einem breiten Grinsen an seinem Monitor vorbeischielte.
»Hat er seine Hamster gekillt, bevor er sich auf junge Frauen spezialisiert hat?«, fragte Weitz und sah Tannen an, als bräuchte er jemanden, der ihm für seine blöde Frage Beifall zollte.
»Genau«, sagte Kaja Winterstein. »Die meisten Täter fallen zunächst durch Tierquälereien auf.«
»Dann suchen wir jetzt nach ungeklärten Mordfällen bei Kaninchen und Mäusen?«, legte Weitz nach.
»Eher nicht«, sagte Kaja Winterstein. »Pferde abstechen, aufschlitzen und sich dann in den Eingeweiden suhlen, so in der Art. Haben Sie Haustiere, Herr …?«
»Weitz. Nur ein paar Silberfische.«
Sie wandte sich wieder an Tannen.
»Wir suchen nach Pferderippern in der Gegend, besondere Fälle von Tierquälereien, also das sollten wir uns schon
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