Bluttaufe: Thriller
Schwester ist etwas zugestoßen.«
Am anderen Ende der Leitung war sekundenlang nichts zu hören.
Dann sagte Peter Kanuk: »Oh Gott«, und noch einmal »Oh Gott.«
»Es tut mir wirklich leid, Ihnen das am Telefon sagen zu müssen, aber wir haben ein paar dringende Fragen.«
»Ein Unfall?«, fragte Kanuk.
»Sie ist getötet worden. Es tut mir leid. Wir ermitteln und müssen von Ihnen etwas zum Umfeld Ihrer Schwester wissen, also Freunde, Bekannte, Leute, die sie belästigt haben könnten, Sie verstehen schon.«
Kanuk sagte, dass er umgehend zurück nach Hamburg fliege und sich sofort im Präsidium melde, aber so viel könne er schon jetzt sagen: Er habe in den letzten Jahren kaum Kontakt mit seiner Schwester gehabt.
»Haben uns nicht besonders gut verstanden, wissen Sie!«
Nein, über das Privatleben seiner Schwester könne er nichts sagen. Auch nicht über Freunde, Bekannte, Liebhaber oder gar Bedrohungen.
Mangold teilte ihm mit, dass seine Anwesenheit nicht unbedingt erforderlich sei. Man stecke mitten in den Ermittlungen.
»Aber ich muss sie doch beerdigen«, sagte Peter Kanuk. Mangold dachte an die Überreste von Carla Kanuk und unterdrückte ein Stöhnen.
»Muss man die Tote nicht identifizieren, ich meine, um sicher zu sein …?«
»Nein, Herr Kanuk, das ist nicht nötig. Es wird vermutlich noch eine Weile dauern, bis die Pathologie die Leiche freigibt.«
»Verstehe, halten Sie mich auf dem Laufenden, wenn … also … wie wurde sie ermordet? Hat sie … hat sie sehr gelitten?«
»Sie wurde erstochen«, sagte Mangold, der das Gespräch am liebsten sofort unterbrochen hätte. Es war schon schwer genug, Ehepartner oder Verwandte über den Tod ihrer Angehörigen zu informieren, aber am Telefon? Und dann über eine Tat mit derart grausigen Umständen?
Nachdem Kanuk ihm sicherheitshalber die Telefonnummer der Firma durchgegeben hatte, für die er dieses Projekt in Kambodscha als Ingenieur betreute, konnte Mangold endlich auflegen. Er sah auf den Bogen, auf dem der Begriff »Täter« mit einem Kreis markiert war.
»Wir werden dich kriegen«, sagte er. »Und wenn du noch so ein Genie bist.«
»Mit wem reden Sie?«
Hinter ihm stand Kaja Winterstein.
»Selbstgespräche«, sagte Mangold. »Leider. Es wird wohl wieder ein ziemlich langer Abend.«
»Brauchen Sie die Nummer vom Pizza-Service?«
»Eine ehrliche Frikadelle mit Kartoffelsalat wäre mir lieber.«
»Das ist ein Cross-over-Lieferservice«, sagte Kaja Winterstein und tippte die Adresse in den Computer. »Ob asiatisch, deutsch oder italienisch, das Menü kann man sich im Internet zusammenstellen.«
Mangold bedankte sich und wandte sich dann wieder seinen Papierbögen zu.
»Ich klemm mich mal an das Gebiss«, sagte sie und
huschte aus dem Büro. Mangold sah ihr nach. Ob sie wohl einen Freund hatte? Sicher, doch merkwürdig war es schon, dass sie sich hier die Nacht um die Ohren schlug.
Zu Hause wartete noch eine Flasche Cognac. Wie gern hätte er sich jetzt damit die Gedanken aus dem Hirn gekippt. Neuerdings ertappte er sich dabei, dass er immer wieder an die gleichen Szenen mit Vera dachte. Geradeso als wäre ihre ganze Beziehung nichts als eitel Sonnenschein gewesen. Dabei waren sie sich mehr als einmal heftig in die Haare geraten.
Ganz abgesehen von den vier Wochen, die er in einem Hotelzimmer verbracht hatte. Als er darauf bestand, seine Tunnelsammlung abzuholen, waren sie sich lachend in die Arme gefallen. Es hatte nicht gehalten.
Gedanken. Den Kopf freibekommen.
Er hatte es mit einem äußerst gefährlichen Serientäter zu tun, da blieb keine Zeit für Selbstmitleid. Außerdem gab es einen positiven Aspekt seiner Trennung. Sollte dieser brutale Täter tatsächlich ihn persönlich ansprechen, dann wäre auch Vera gefährdet gewesen.
Sollte sie sich doch mit irgendeinem Sumerologen über neueste computergestützte Vermessungstechniken amüsieren. Er hätte angesichts der Geschehnisse ohnehin keinen angenehmen Gesprächspartner abgegeben.
Mangold hängte die vier Bögen an die Korkwand und trat einen Schritt zurück. Das Ganze da vor ihm war kein Tunnellabyrinth, nein, es ähnelte eher der Abwasserkanalisation einer Großstadt. Und jeden Augenblick konnte ein neuer Regenfall Wassermassen durch die Gullydeckel in dieses Rohrsystem hereinstürzen lassen. Ein Blutschwall,
der gegen die Sielwände klatschte, um sich dann weiter seinen Weg zu suchen. Doch um Himmels willen - wohin? War sein 1 c 4 der Auftakt für den nächsten
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