Blutträume
von Boston hat es auch nicht getan.«
»Oder Hinweise?«, murmelte Jordan, den Blick auf das Tatortfoto an der Pinnwand gerichtet.
»Oder Hinweise. Serienmörder werden meist nicht dank herausragender Polizeiarbeit gefasst, sondern weil der Bastard sich vertut. Einen Fehler macht. Ein Opfer am Leben lässt, seine Spuren nicht gut verwischt oder sonst irgendwie schlampt.«
»Aber nicht, weil er eine Fährte hinterlässt«, ergänzte Dani.
»Nein, normalerweise nicht. Von Becky Näheres zu erfahren, wäre schön gewesen, doch der Kontakt war einfach zu kurz.« Hollis verzog das Gesicht. »Allerdings muss ich zugeben, dass ich mit diesem Medium-Zeug noch keine allzu große Erfahrung habe und erst jetzt so weit bin, sie – manchmal – hören zu können.«
»Sehen Sie sie denn?«, wollte Jordan wissen. Wie Marc angenommen hatte, schien Jordan ohne mit der Wimper zu zucken Paragnosten zu akzeptieren, ebenso wie Hollis’ Eingeständnis, ein Medium zu sein.
Hollis fragte sich nur, wieso, und beschloss, das später zu ergründen. Sie nickte. »Manchmal so deutlich, wie ich Sie jetzt sehe. Manchmal fast gar nicht.«
»Muss beunruhigend sein. So oder so.«
»Das kann man wohl sagen.«
Über Jordans ausdrucksvolles Gesicht huschte so etwas wie Widerwillen. »Wenn sie Ihnen erscheinen, sehen sie dann aus wie …?«
»Wie zu dem Zeitpunkt, als sie umgebracht wurden? Und zeigen mir, wie sie ermordet wurden, wie sie starben? Nein. Keine Wunden, keine Anzeichen von Leiden, nicht einmal auffällige Blässe – zumindest, wenn ich sie deutlich sehe.«
»Berichten sie Ihnen etwas darüber … was danach kommt?«, fragte er mit echter Neugier.
»Nein. Aber irgendetwas muss wohl kommen, oder? Ich meine – sie sind tot, doch sie existieren immer noch, irgendwie. Sie kommunizieren. Sie scheinen zu denken und zu fühlen wie zu Lebzeiten. Soweit ich es beurteilen kann, hat sich ihre Persönlichkeit nicht verändert.«
»Und so bleiben sie?«
»Sie meinen, bis in alle Ewigkeit?« Hollis zuckte die Schultern. »Das weiß ich nicht. Ich kann Ihnen dazu nur sagen, wenn wir einen Fall abgeschlossen, also den Mörder gefasst oder getötet haben, höre oder sehe ich die Opfer nicht mehr. Ein anderes Mitglied der SCU, ein sehr viel besseres Medium als ich, hat mir erzählt, manche Geister beschließen, in diesem Stadium zu bleiben, um als Führer wirken zu können. Allerdings nur die wenigsten. Warum, weiß ich nicht.«
Bevor Jordan den Mund für die nächste Frage öffnen konnte, kam ihm der Sheriff zuvor.
»Jordan, ich weiß, dass du neugierig bist. Verdammt, das bin ich auch. Aber wir müssen Prioritäten setzen. Wenn es derselbe Schweinehund ist, der vergangenen Sommer in Boston gewütet hat, werden wir es mit noch weiteren Opfern zu tun bekommen, wahrscheinlich eher früher als später.«
»Es ist derselbe Mörder«, versicherte ihm Hollis.
»Okay, es ist derselbe«, räumte der Sheriff ein. »Warum aber hier? Wieso hat er sich Venture als Jagdrevier ausgesucht? Wir sind weit von Boston entfernt, und in einer kleinen Stadt stehen die Chancen, in der Menge unterzutauchen, wesentlich schlechter.«
Dani schüttelte den Kopf. »Zwischen ihm und irgendeiner Person hier, oder einem Ort, muss eine Verbindung bestehen. Etwas, das ihn hierher zieht. Ist das nicht das Einzige, das einen Sinn ergibt?« Irgendetwas in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie möglicherweise in ihrem Visionstraum etwas Wichtiges vergessen oder übersehen hatte.
Was kaum überraschend war, aber äußerst ärgerlich.
»Bestimmt ist das einer der Gründe«, pflichtete ihr Hollis bei. »Denn die Anonymität einer großen Stadt gegen die einer kleinen einzutauschen, in der Fremde sehr leicht und schnell auffallen, ist kein besonders kluger Schachzug, vor allem, wenn man sich weiterhin als Serienmörder betätigen will.«
»Vielleicht bekam er Panik«, gab Jordan zu bedenken. »Wenn ihr ihm auf den Fersen wart …«
Nun schüttelte Hollis den Kopf. »Nein, die Sondereinheit ist ihm nicht nahe gekommen. Doch er geriet zu sehr ins Scheinwerferlicht der Medien, als Annie LeMott vermisst gemeldet wurde, und noch mehr, als man ihre Leiche fand. Bishop geht davon aus, dass das den Mörder aus Boston vertrieben hat.«
»Das ergibt einen Sinn«, stimmte Marc zu. »Aber Dani hat recht. Dieser Dreckskerl hat Venture bestimmt nicht ausgesucht, indem er eine Nadel in die Landkarte gesteckt hat.«
»Also nehme ich an, dass wir nach einer Verbindung suchen«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher