Blutträume
…«
Dani hörte zu, wie die junge Frau Marc ihr Erlebnis schilderte, doch als ihr bewusst wurde, dass Maries Stimme innerhalb von Sekunden verklang, kroch eisige Kühle über ihre Haut.
Das war Dani schon früher passiert – aber nur in ihren Visionsträumen. Während sie schlief, schien ihr Geist die plötzliche Stille der Leute, Orte und Dinge um sie herum zu akzeptieren, weil etwas, das noch tiefer ging als ihre Träume, als ihre Visionen, begriff, dass es dem lauschen musste, was sich weit unter der Oberfläche abspielte. Auf etwas Wichtigeres. Und fast immer handelte es sich um etwas, was für ihr Verständnis des Visionstraums von entscheidender Bedeutung war.
Doch jetzt, in wachem Zustand, reagierte ihr Geist schlagartig mit reflexhafter panischer Angst, sodass sie den Flüsterton unter den Stimmen im Raum, dem Licht, unter dem, was sie berühren konnte, unter dem, was Wirklichkeit war, beinahe überhört hätte.
Ich will dich.
In ihr wurde alles still, ihre instinktive Konzentration wurde der Panik kaum Herr. Ihr Blick wanderte hinüber zu Marc, und sie wünschte sich verzweifelt, es wäre sein Flüstern, das sie in ihrem Kopf hörte. Dass sie glauben könnte, es wäre sein Flüstern.
War es aber nicht.
Es war kalt. Es war hart. Es war unerbittlich.
Und es war böse.
Ich will dich, Dani. Ich werde dich kriegen. Auch wenn du wegläufst. Auch wenn du dich versteckst. Egal, was er tut, um dich zu beschützen. Egal, was du träumst. Egal …
»Dani?«
Ihr wurde bewusst, dass sie vor Marcs Schreibtisch stand, halb schon zur Tür gewandt. Auch dass Marie Goode gegangen war, fiel ihr auf. Marc musste sie hinausbegleitet haben, weil er von der Tür her kam und sie stirnrunzelnd ansah.
Dani setzte sich unvermittelt wieder hin und versuchte Luft in ihre Lunge zu saugen, als hätte sie sehr lange den Atem angehalten.
»Dani, was zum Teufel ist los?«
»Ich … ich weiß nicht …« Sie nahm sich zusammen und gab sich größte Mühe, mit fester Stimme zu sprechen. »Ich dachte, ich hätte etwas gehört, das ist alles. Hast du Marie Goode eine Bewachung zugeteilt? Sie ist der passende Typ, und wenn er sie schon beobachtet …«
»Natürlich habe ich eine Bewachung abgestellt.« Er setzte sich auf den anderen Besucherstuhl und sah Dani mit noch immer gerunzelter Stirn an. »Was hast du gehört?«
»Ich sagte, ich glaubte, etwas gehört zu haben …« Sie riss sich zusammen, bezwang die Panik, die sie zu überwältigen drohte. »Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist es nur Einbildung. Ich glaubte, ein Flüstern gehört zu haben, sonst nichts.«
»Ein Flüstern? Versucht jemand dich zu erreichen? Paragnostisch?«
»Meine Fähigkeiten funktionieren nicht in dieser Weise.«
»Nur weil sie es noch nie getan haben«, warf er bedächtig ein, »bedeutet das nicht, dass sie es nicht können. Paragnostische Fähigkeiten wachsen und entwickeln sich genauso wie andere Fähigkeiten auch. Was hat der Flüsterer gesagt?«
Eigentlich hätte sie lieber gar nicht geantwortet, doch da die Lage zwischen ihnen bereits so angespannt war, wollte Dani sie nicht noch verschlechtern. »Er sagt … er wolle mich. Dass er mich kriegen würde.«
»Wer?«
»Das weiß ich nicht. Auch wenn ich seine Stimme schon mal gehört hätte, wer kann ein Flüstern zuordnen?«
»Eines ist jedenfalls klar«, erwiderte Marc mit Bedacht, »sie hat dich zu Tode erschreckt. Daher nehme ich an, du befürchtest, selbst wenn du dir nicht sicher bist, dass sie die des Mörders sein könnte.«
»Aber das ist unmöglich.«
Marcs Stirn hatte sich zwar wieder geglättet, aber sein Gesichtsausdruck war hart wie nie zuvor. »Du bist also bereits … auf den Mörder gepolt? Du träumst von ihm?«
Diesen Fachausdruck hatte sie zwar noch nie gehört, doch er erschien ihr passend. »Gewissermaßen, ja.«
»Uns ist beiden klar, dass es irgendwie mit dir zusammenhängt. Ich hatte angenommen, deine Freundin Miranda sei der Grund für die Visionsträume, weil sie eine Bedrohung für sie enthielten.«
Dani zögerte, dann nickte sie. »Dachte ich auch.«
»Wäre es möglich, dass sich der Mörder bei dir wegen des Visionstraums eingeklinkt hat? Dass er das Ende eines Verbindungsstranges direkt zu dir angezapft hat?«
»Das weiß ich nicht.« O Gott, hoffentlich nicht. »Vielleicht. Vielleicht hat es etwas mit Marie Goode zu tun, falls es tatsächlich geschehen ist. Wenn er sie beobachtet …«
»Sie ist keine Paragnostin«, entgegnete Marc. »Was aber,
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