Blutträume
schon vor langer Zeit von derartigen wirtschaftlichen Nackenschlägen erholt oder nie welche erlitten.
Und dennoch … Züge hielten hier nicht mehr, sie verlangsamten nur das Tempo, wenn sie durch Venture fuhren, da die Strecke von dort an in die Berge führte, wo zu viel Geschwindigkeit tödlich sein konnte. Soweit Gabriel erkennen konnte, gab es in der Gegend keine nennenswerte Industrie, abgesehen von einer einsam gelegenen Papiermühle am Fluss.
Ein paar ansehnliche Farmen hielten Milchkühe, einige Schlachtvieh und andere Nutztiere, außerdem waren ihm mindestens drei weitere Farmen aufgefallen, auf denen allem Anschein nach Pferde und Reiter im Spring- oder Jagdreiten trainiert wurden. Westlich der Stadt wurde etwas Holzwirtschaft betrieben, doch trotz der nahe gelegenen Papiermühle nur in kleinem Umfang. Auch ein paar Tabakfelder hatte er entdeckt, aber den Löwenanteil an Landwirtschaft, die er sah, wurde von Gemüsegärten hinter den Häusern bestritten, nur dazu gedacht, den Grünzeugbedarf der Familien, denen sie gehörten und die sie bearbeiteten, zu ergänzen oder zu decken.
»Wo kommt dann das Geld her?«, murmelte er vor sich hin.
Du bist ganz schön argwöhnisch.
»Ja. Ja. Ist doch mein Job, die unangenehmen Fragen zu stellen.«
Eigentlich nicht. Dein Job ist es, dieses Lagerhaus zu finden. Oder zumindest so viele Sackgassen wie möglich auszuschließen.
Erneut ließ Gabriel den Blick über die Landschaft schweifen und seufzte. »Das hier war mal ein wichtiger Haltepunkt für mindestens zwei Eisenbahnlinien, und mehrere Generationen lang wurde hier eine große Textilfabrik betrieben. Leerstehende Lagerhäuser, verlassene Gebäude und stillgelegte Lagerräume gibt es hier überall.«
Stillgelegt?
»Ja, gefällt dir das Wort nicht?«
Ich überlege nur, wieso eine so wohlhabende kleine Stadt all diese verlassenen Gebäude nicht abgerissen hat.
»Da fragt man sich, nicht wahr?«
Allerdings scheinen sie die Landschaft nicht allzu sehr zu verschandeln. Vielleicht ist das der Grund.
»Wenn es nicht hässlich ist, lassen wir es stehen?«
Na ja, auch ein Abbruch kostet Geld.
»Nennst du mich noch mal argwöhnisch?«
Nein, ich teile deinen Argwohn. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass er uns weiterhilft.
»Du bist einfach nur pessimistisch.« Gabriel musterte Venture weiter durch sein Fernglas und nahm nun die ordentliche und sehr hübsche Innenstadt ins Visier. »Sieh da.«
Was ist?
Er seufzte und senkte das Fernglas. »Entweder weiß die rechte Hand nicht, was die linke tut … Nein, das ist es nicht, niemals, auch wenn es so aussieht.«
Was murmelst du da vor dich hin?
»Ich glaube, wir haben es schon wieder mit diesem ›Alles-unter-Kontrolle-haben‹-Mist zu tun. Wir sind nicht allein in Prophet County.«
Na, das wussten wir.
»Ich spreche nicht nur von Dani und Paris. Oder Hollis Templeton.«
Von wem dann?
»Jemand, den ich hier nicht erwartet hätte. Jemand, der wirklich nicht hier sein sollte, diesmal nicht.«
Wen meinst … Oh. Oh, Mist.
»Genau«, murmelte Gabriel und hob das Fernglas wieder an die Augen, um eine überraschend unauffällige Gestalt den idyllischen Bürgersteig entlanggehen zu sehen. »Ich denke, er nimmt die vorhergesagte Bedrohung für Miranda sehr, sehr ernst.«
10
Marc fiel kein logischer Grund ein, Dani zu dem Gespräch mit Marie Goode in seinem Büro mitzunehmen, also versuchte er erst gar nicht, einen zu erfinden.
Er war nur erleichtert, dass Dani nicht danach fragte.
Dieses Gefühl hielt aber nur an, bis sie sein Büro betraten und sich Marie von einem der Besucherstühle erhob.
Sie war zierlich, fast dürr, mit kurzen braunen Haaren und großen dunklen Augen und wirkte in ihrer Kellnerinnentracht beinahe wie ein Kind.
Mist!
Marc warf Dani einen kurzen Blick zu, bevor sie weiter in den Raum traten und er die beiden Frauen einander vorstellte. Wer Dani war und warum sie zu dem Gespräch mitkam, erklärte er nicht.
Marie Goode war auch viel zu aufgewühlt, um sich darüber Gedanken zu machen. »Sheriff, hat Deputy Walker es Ihnen erzählt? Das mit der Halskette und den Blumen? Dass mir gestern Nacht jemand gefolgt ist?«
»Er hat es mir erzählt, Ms Goode. Doch ich hatte noch keine Gelegenheit, Ihre Aussage zu lesen, wenn Sie also so gut wären, mir alles noch einmal zu erzählen? Sie nehmen an, jemand sei Ihnen gefolgt, als Sie gestern Nacht von der Arbeit nach Hause gingen?«
»Also, zuerst dachte ich, das bilde ich mir ein, aber
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