Bluttrinker - Bellem, S: Bluttrinker

der Spitze, flankiert von Broggh und einigen Trollen. Aregg war mit einigen Trollen in die Berge aufgebrochen und trieb dort die Goblins gen Süden. Danach würde er mit seinen Monstern in die nördlichen Ebenen einfallen und die dortige Bevölkerung auf die bevorstehenden Schrecken einstimmen.
    Baldrokk hatte diesem Vorgehen zwar widersprochen – der Zwerg sah keinen Sinn darin, den Feind wissen zu lassen, dass man ihn angreift, doch Karandras wusste es besser.
Mit dem Buch Karand kann mir niemand widerstehen. Sollen sie doch ihre gesamte Armee gegen mich ins Feld führen. Umso süßer wird mein Sieg, wenn die Krieger sich mir anschließen, sobald sie mich sehen. Ich will den Göttern ins Gesicht lachen, wenn sie ihre letzten Hoffnungen an ein Heer aus Feiglingen knüpfen. Ich will, dass sie im Moment ihrer Niederlage wissen, es wird keine Abkehr von mir geben!
    Wo Tarvin wohl gerade steckt?
, verschwendete Karandras einen kurzen Gedanken an den Jungen.
Ohne seine Hilfe hätte ich wohl versagt.
    Die Goblins quiekten wild durcheinander, als ein großer Troll blindlings in ihre Reihen griff, eines der armseligen Monster am Schopf packte und ihm mit einem kräftigen Biss ein Bein ausriss.
    »Was soll das?«, schrie Karandras den Troll an.
    »Goblins essen«, antwortete Broggh knapp.
    Karandras bedeutete dem Troll sich zu bücken. Dann schlug er ihm kräftig auf die Nase. »Ihr hirnlosen Monster! Die Goblins sind unsere Verbündeten! Sie sind
meine
Armee!«
    Der fressende Troll blickte ihn fragend an und ließ den halben – und inzwischen toten – Goblin achtlos zu Boden fallen.
    Karandras rümpfte die Nase und der Tross marschierte weiter.
Hirnlose Monster
, dachte der Sohn der Dunkelheit zufrieden.
    Die Tage verliefen ereignislos und zogen sich schier endlos hin. Sie marschierten nach Westen. Immer der untergehenden Sonne entgegen. Karandras verabscheute jegliche Gesellschaft außer die der Gnome. Vor allem Baldrokk war ein nahezu angenehmer Gesprächspartner – wenn Karandras sich dazu herabließ, mit ihm zu sprechen.
    »Werden wir Surdan angreifen, Herold?«, fragte Baldrokk eines Abends. Surdan lag noch vier Tagesmärsche von ihnen entfernt, doch sie hatten das weitläufige Hochplateau, das man auch Ebene von Surdan nannte, bereits betreten.
    Karandras dachte kurz über die Möglichkeit nach, Surdan zu erobern und die dort ansässigen Magier für seine Zwecke zu gebrauchen, verwarf den Gedanken dann aber. Das Risiko war einfach zu groß. »Wir werden uns morgen nach Norden wenden«, antwortete er. »Der Pass ist nicht mehr weit. Surdan hält uns nur auf.«
    Karandras legte sich früh zum Schlafen. Der Marsch über die Berge würde beschwerlich genug werden, und die Nächte in den Todfelsen waren häufig kurz und von ständiger Bedrohung durch Schneetrolle gezeichnet.
    Die aufgehende Sonne stand in seinem Rücken. Vor ihm erhoben sich die Stadtmauern Surdans. Und aus der Mitte der Stadt entsprang der Obelisk, den die Menschen hier Arkanum nannten. Der Obelisk aus Obsidian, der dem Herzen der Niederhöllen entsprungen war. Karandras wusste um seine Bedeutung. Es war kein bloßer Turm. Es war ein Finger, direkt auf die verräterischen Götter hinaufgerichtet.
    »Was wünschst du von mir, Herr?«, fragte Karandras in die Stille des anbrechenden Morgens.
    Es grollte ganz tief unten in der Erde. Er konnte es nicht hören, nur fühlen. Donner brandete durch die verschiedenen Gesteinsschichten der Welt und bahnte sich seinen Weg als freie Vibration nach oben. Auch das Arkanum begann sich zu verändern. Karandras glaubte erst, dass sich lediglich das Sonnenlicht auf der polierten Oberfläche spiegelte, doch dann erkannte er die feinen roten Linien, die den Stein plötzlich durchzogen.
    Als würde der Obsidian von innen heraus erneut zu Lava schmelzen; orange­rote Flammen brachen aus den Fenstern hervor und die Form des Turms veränderte sich. Die Spitze verformte sich zu einem Zeigefinger, der Oberbau zu einer geschlossenen Hand.
    Ein Arm aus Lava, der gen Himmel zeigte und die ihn umgebenden Gebäude in Brand steckte. Schließlich knickte die Hand ein und der Finger deutete nach Norden, direkt in die Todfelsen.
    »Was willst du mir zeigen?«, fragte Karandras verwirrt.
    Noch ehe er den Satz beendet hatte, wurde sein Körper weggerissen, flog durch die Luft auf einer festen Bahn, die der Richtung des Fingers entsprach. Die Berge zogen unter ihm dahin, bis er plötzlich in der Luft stehen blieb. Unter ihm war ein