Bluttrinker - Bellem, S: Bluttrinker
kleinen schwarzen Notizbuch notierte er die jeweiligen Zauber in einer ganz bestimmten Reihenfolge. Sobald er sie alle gefunden hätte, müsste er lediglich zu seinem Amulett zurück. Doch noch hatte er nicht alle benötigten Formeln gefunden. Tarvin durchkämmte weiter die Bibliothek, aber die Zeit wurde allmählich knapp. Die Magier erwarteten Gordan beinahe jeden Tag zurück.
Der Glaube stärkt die Götter. Und ebenso schwächt er die Dämonen
, ging er seine gesammelten Erkenntnisse noch einmal im Geist durch, nachdem er die letzten von Tarvin gefundenen Bücher studiert hatte.
Kann das Gegenteil auch zutreffen? Kann man die Götter schwächen, indem man die Menschen dazu bringt, nicht mehr an sie zu glauben? Das Verschwinden der göttlichen Avatare könnte damit zusammenhängen … Ich muss meine Kontrolle über die Zwerge ausbauen. Sie dürfen sich nicht gegen mich wenden!
, überlegte er weiter.
Und dann … was geschieht, wenn sie plötzlich
mich
als Gott sehen würden?
Dieser Gedanke gefiel ihm sehr. Er durchsuchte den Schriftenberg vor sich mit neuem Elan, doch legte er sein Augenmerk auf eine andere Art Zauber. Für einen Moment glaubte er, ein tiefes Grollen würde durch den Obsidian geleitet. Ein lauter Protest, der direkt aus den Niederhöllen zu kommen schien. Aber im nächsten Augenblick war alles wieder still.
Er betrachtete das kleine schwarze Buch noch einmal. Zuerst hatte er einige Sprüche herausgesucht, die sein Erscheinungsbild in den Augen Fremder veränderten. Solche Zauber waren das Handwerkszeug jedes Taschenspielers und Scharlatans. Man gaukelte den Menschen Sicherheit und Liebenswürdigkeit vor. Auf diese Weise konnte man einem völlig Fremden als Freund begegnen.
Danach kamen einfache Liebeszauber, die ein Stück weiter gingen. Durch den Liebeszauber wurden andere Wesen wirklich vereinnahmt, ihre ganze Aufmerksamkeit wurde auf die den Zauber wirkende Person konzentriert, und sie wurden empfänglich für deren Bedürfnisse. Die nächsten Sprüche gingen noch weiter und dienten der Herabsetzung des freien Willens, um zu verhindern, dass vereinnahmte Wesen sich plötzlich gegen den Zaubernden wandten. All diese Zauber kosteten eine Menge Kraft, und es wäre unmöglich, sie ständig aufrechtzuhalten. Er brauchte einen Kraftspender, der die Zauber für immer aus dem Elementarraum in die stoffliche Ebene brachte und der sie festhielt.
Die letzten Sprüche dienten der Steigerung aller Glücksgefühle bis hin zur Ekstase. Die Menschen würden vergessen, wer sie waren, vergessen, was sie wollten, und vergessen, dass es einen anderen Weg gab.
»Endlich«, seufzte Karandras erleichtert, als er die letzte Zeile niedergeschrieben hatte. »Es ist geschafft.« Er schlug das Büchlein zu und umwickelte es mit einem dünnen Lederband.
Ein Klopfen an seiner Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Es war Tarvin, der eilig eintrat. »Meister Gordan ist zurück! Schnell, wir müssen die Bücher zurück in die Bibliothek schaffen!«
Karandras schenkte dem Jungen keine weitere Beachtung. Er verstaute das schwarze Buch sicher in einer Innentasche seiner Robe und verließ das Zimmer.
»Wo wollt Ihr hin?«, rief ihm Tarvin verwirrt nach.
»Ich muss meinen Traum in die Tat umsetzen«, sagte Karandras knapp.
Gordan ist bereits hier!
Er spürte, wie sich eine leichte Panik in ihm ausbreitete. Nach allen Erzählungen war der alte Magier ein zu mächtiger Gegner.
Hastig eilte er die Treppe hinab, wobei er alle zwei Stufen beinah über den Saum seiner Robe stürzte. Hinter ihm keuchte Tarvin laut und versuchte mit Karandras Schritt zu halten.
»Meister Gordan will Euch sicherlich gleich sehen!«, rief Tarvin außer Atem. »Wollt Ihr denn nicht Mitglied des Zirkels werden?«
Karandras wirbelte auf dem Absatz herum und Tarvin kam schlitternd zum Stehen. »Hast du bereits vergessen, was ich dir erzählt habe?«, fragte Karandras den Jungen. »Männer wie Gordan werden meine Vision niemals verstehen! Er wird mich ebenso für meine Fähigkeiten bestrafen wie meine früheren Freunde. Tarvin, damals wurde ich von Menschen verraten, denen ich vertraute – ich kann nicht glauben, dass Gordan auch nur einen Deut besser ist.«
Tarvin kaute auf seiner Unterlippe herum, offensichtlich rang er mit sich selbst um die richtige Entscheidung.
»Tarvin«, fuhr Karandras eindringlich fort und legte dem Jungen die linke Hand freundschaftlich auf die Schulter. »Ich kann den Krieg zwischen Kanduri und Aureliten beenden. Ich kenne
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