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Bluttrinker (German Edition)

Bluttrinker (German Edition)

Titel: Bluttrinker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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normalerweise nicht entgangen. Er hatte sich von seinem
wachsenden Zorn ablenken lassen. Die Stimme des Wächters überraschte ihn ebenso
wie Sergej.
„Wenn du damit fertig bist, andere von der Arbeit abzuhalten, kommst du jetzt
am besten mit. Die Regale im Archiv könnten ein bisschen abstauben vertragen.“
     
    Johann Jäger stand mit dem Rücken zur Tür, als Lukas, Sergej
und Karol den Vorraum des Vollzugsraumes am darauf folgenden Abend erneut
betraten. Matthias und zwei Wächter, deren Namen Lukas noch nicht kannte, waren
ebenfalls anwesend.
    Lukas durchquerte den Raum bis zur Mitte, ehe ihm einfiel,
dass es für ihn als Anwärter kaum angemessen schien, sich unaufgefordert neben
seinen Vater zu stellen. Er ging davon aus, dass Johanns Mitarbeiter Bescheid
wussten, aber es hätte ihm grade noch gefehlt, wenn Sergej mitbekam, dass er
der Sohn des Chefs war.
    Johann nickte den beiden Wächtern wortlos zu. Die Dämmerung
war weit genug fortgeschritten, um Schutzkleidung überflüssig zu machen. Die
Männer öffneten die schwere Panzertür und gingen hinaus. Minuten später bot
sich den Anwesenden ein Anblick, den Lukas niemals vergessen würde.
    Es wäre Lukas nicht möglich gewesen zu beschreiben, wie es
dem teilweise verkohlten Körper gelang, sich zu bewegen. Sich wie eine Schlange
auf dem Bauch windend, sich mit bis auf die Knochen verbrannten Fingern
vorwärts ziehend, schleppte sich eine Horrorgestalt über die Schwelle des
Vorraumes, von purer Selbsterhaltung getrieben.
Die im Unterbewusstsein verankerte Information, dass sich an dem Ort, an dem er
sich befand, im nächsten Morgengrauen die Zerstörung fortsetzen würde, setzte
den Reflex in Gang, den Körper aus dem Gefahrenbereich zu schaffen, obwohl der
Bluttrinker sich seiner selbst schon lange nicht mehr bewusst war.
    Mühsam unterdrückte Lukas das Würgen in seiner Kehle, froh,
dass er seit Tagen keine Nahrung zu sich genommen hatte, die ihn jetzt
blamieren konnte. Er hörte, wie Sergej hinter ihm ein ersticktes Geräusch von
sich gab. Erstmals in seinem Leben verspürte Lukas Zweifel an der Arbeit seines
Vaters.
Was mochte dieser Mann, was konnte überhaupt irgendein Lebewesen getan haben,
um das zu verdienen?
Natürlich wusste Lukas, dass der Bluttrinker sich vollständig regenerieren
würde. Aber es würde qualvolle Wochen dauern, bis auch nur die groben Schäden
verheilt waren. Monate der Schmerzen lagen vor diesem Artgenossen.
Lukas spürte, wie der Blick seines Vaters auf ihm ruhte und wusste, er war
nicht in der Lage, seine Gefühle vor ihm zu verbergen.
    „Was ihr vor euch seht“, erklärte Johann in ruhigem,
dozierendem Tonfall, „ist das Ergebnis von zwei Tagen Tageslichtexposition. Der
Höchststrafe, die durch uns Jäger verhängt werden kann. Ich möchte hinzufügen,
dass ich mich schon lange nicht mehr so in Versuchung gefühlt habe, alle
Vorschriften zu ignorieren und diesen Kerl da draußen hängen zu lassen, bis nur
noch Asche übrig ist.“
Er ließ, während er sprach, seinen Blick über alle Anwesenden schweifen. Bei
seinen letzten Worten blickte er Lukas in die Augen.
„Es kommt nicht alle Tage vor, dass wir ein solches Urteil vollziehen. Die
Gelegenheit zum Anschauungsunterricht war also günstig.“
An die Wächter gewandt fuhr Johann fort: „Bringt ihn in seine Zelle.
Einsatzbesprechung im Hauptkonferenzraum in fünfzehn Minuten.“
     
    Ein breitschultriger Jäger, der auf den Namen Christopher
hörte, erstattete Lagebericht. Der Konferenzraum war bis auf den letzten Platz
besetzt.
„Sein Name ist Ludwig Breitner. Er lebte in der Nähe von Heidelberg. Er ist
zweihundertelf Jahre alt und bereits mehrfach auffällig geworden. Zurzeit
ermittelt die sterbliche Polizei gegen ihn, wegen sexuellen Missbrauchs und
Mordes an sechs Kindern, im Alter zwischen fünf und zehn Jahren. Er gilt als
flüchtig und wird mit allen Mitteln gesucht. Es ist uns bisher gelungen zu
verhindern, dass der Fall öffentliches Aufsehen erregt.“
Lukas war nicht der Einzige, der bei dieser Erklärung die Luft anhielt.
„Wie er an seine Opfer gekommen ist, ist noch zu ermitteln. Es ist allerdings
zu befürchten, dass wir die Spitze eines Eisberges vor uns haben. Die
sterbliche Polizei konnte nur zwei der Kinder, deren Leichen er auf dem
Grundstück seines Hauses vergraben hatte, identifizieren. Sie wurden beide aus
rumänischen Waisenhäusern entführt. Jedenfalls ist das die offizielle Version.
Wir gehen von einem organisierten Fall von

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