Blutvertrag
Erschütterungen. Die Luft roch regelrecht versengt.
Wie überall befand sich auch hier ein Gartentor zwischen Haus und Grenzmauer. Es wurde nur von einem einfachen Klappverschluss zugehalten.
Sie hasteten den Gang dahinter entlang. An seinem Ende kam eine überdachte Veranda, die Schutz vor dem Regen bot.
Hinter zwei Fenstern hingen Faltjalousien bis zum Fensterbrett herab. Wahrscheinlich befanden sich dahinter die Küche und das Frühstückszimmer. Die anderen Fenster waren mit Vorhängen verhüllt.
Nur eine zweiflügelige Glastür ein Stück weiter war durch nichts gegen neugierige Blicke geschützt. Als Linda die Taschenlampe darauf richtete, wurde ein unmöbliertes Fernsehzimmer mit einem riesigen, an die Wand montierten Bildschirm erkennbar.
Tim packte die Pistole am Lauf, wartete, bis das Gewitter das nächste Mal die weißen Zähne bleckte, und koordinierte das Geräusch des brechenden Glases mit dem folgenden Donnerschlag. Er griff durch das Loch in der Scheibe, fand das Schloss und öffnete die Tür.
Sobald er hineingeschlüpft war, folgte Linda ihm und zog die Tür wieder zu. Einen Augenblick standen sie da und lauschten, doch die fehlenden Möbel waren Beweis genug. Hier wohnte niemand mehr.
»In einem solchen Haus«, sagte Tim, »gibt es natürlich eine Alarmanlage. Aber weil hier drin nichts zu holen ist und die Anlage dem Makler nur Probleme machen würde, hat man sie ausgeschaltet.«
Linda blickte durch die Glastür. Hinter der Veranda, dem dunklen Swimmingpool und dem Zaun am Rand des Canyons, der dalag wie ein schwarzes Loch, kamen erst die sorgfältig aufgereihten Straßenlaternen auf den niedrigeren Hängen und dann, ganz hinten, die Küste mit den im Regen schimmernden Lichtern der Stadt. »Wie kann es nur sein, dass dies alles hier geschieht, in einer Gegend mit so luxuriösen Häusern, mit Blick auf so ein Lichtermeer …«
»Hast du nicht gesagt, die Zivilisation sei so zerbrechlich wie Glas?«
»Vielleicht ist es noch schlimmer«, sagte sie, »und das, was wir für unsere Zivilisation halten, ist nur ein Trugbild. «
»Ach, es gibt immer Leute, die gern allen anderen das Licht abdrehen würden. Bisher hatten wir Glück, denn sie waren immer knapp in der Minderheit.«
Sie wandte sich von dem Panorama ab, als würde es ihr Schmerzen bereiten. »Sind wir hier in Sicherheit?«
»Nein.«
»Ich meine, wenigstens eine kleine Weile?«
»Nein. Nicht einmal das.«
27
Krait fuhr an dem Wagen vorbei, den Carrier und sein Schützling verlassen hatten. Statt am Straßenrand zu parken, hielt er neben der Verkehrsinsel in der Mitte des Rondells, wo Parkverbot herrschte.
Der Regen ärgerte ihn. Für seine Kleidung war so etwas eine Katastrophe.
Tja, an diesem Gewitter konnte er nichts ändern. Schon vor einiger Zeit war er widerstrebend zu dem Schluss gekommen, dass er keine Kontrolle über das Wetter hatte.
Davor hatte er eine Weile den Eindruck gehabt, womöglich in der Lage zu sein, die Elemente zu beeinflussen. Dieser Verdacht war ihm gekommen, weil sich so häufig genau das Wetter einstellte, das er brauchte, um einen Mord zu planen und durchzuführen.
Er hatte mehrere Bücher über Psychokinese gelesen, über die Einwirkung des Geistes auf Materie. Zum Beispiel konnten manche Leute Löffel verbiegen, ohne diese zu berühren. Die mit solchen Phänomenen befassten Parapsychologen behaupteten, man könne Gegenstände von einem Ort an einen anderen versetzen, indem man sich diesen Vorgang einfach vorstellte.
Einmal hatte auch Krait einen Löffel verbogen, allerdings nicht mit der Kraft seines Geistes, sondern aus Frust. Er hatte sogar einen Knoten in das verfluchte Ding gebunden.
Anschließend hatte er überlegt, ob er dem Autor, der ein bestimmtes Buch mit Tipps zur Entfaltung psychokinetischen Talents geschrieben hatte, einen Besuch abstatten sollte.
Er wollte den Kerl dazu zwingen, den verknoteten Löffel zu schlucken.
Krait genoss es, andere Leute Dinge schlucken zu lassen, die niemand schlucken wollte. Wieso ihm das so gefiel, wusste er nicht, aber soweit er sich erinnern konnte, hatte ihm nichts je mehr Vergnügen bereitet.
Wegen der ungewöhnlichen Form und Größe mancher dieser Gegenstände kamen die Leute, denen er sie in den Schlund stopfte, oft zu Tode, während sie schluckten. Deswegen hatte er sich inzwischen darauf eingestellt, einen gemeinsamen Abend nicht mit diesem besonderen Vergnügen zu beginnen, sondern es sich für später aufzusparen.
Sobald jemand tot war,
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