Blutvertrag
Grund.«
»Alles fliegt auseinander.«
»Wir schaffen das schon«, sagte Tim.
»Das stinkt zwar nicht direkt nach Bockmist, aber es ist welcher.«
Er wollte sie nicht belügen. »Ich dachte bloß, du willst nicht, dass ich sage, wir sind schon so gut wie tot.«
»Nicht, bevor wir es tatsächlich sind. Dann kannst du’s gerne sagen.«
»Ich glaube, wir sind es noch nicht.«
»Gut. Das ist doch schon mal was.«
26
Im Scheinwerferlicht sah der silbrige Regen wie Lametta aus, aber weihnachtliche Gefühle kamen trotzdem nicht auf.
Obwohl das Straßenpflaster glatt genug zum Schlittenfahren war, kümmerte Tim sich nicht um die Stoppschilder.
Bestimmt nahm Kravet an, dass sie inzwischen draufgekommen waren, weshalb er sie verfolgen konnte. Das hieß, er wusste auch, dass sie um jeden Preis versuchen würden, genügend Vorsprung zu gewinnen, bevor sie ihr Fahrzeug stehen ließen. Er würde ihnen also dicht auf den Fersen bleiben, um sich nicht abhängen zu lassen, wenn sie zu Fuß losliefen.
»Du hast deine Pistole nachgeladen«, sagte Tim.
»Stimmt. Das Magazin ist voll.«
»Ist in deiner Handtasche noch mehr Munition?«
»Nicht viel. Ich glaube, vier Patronen. Höchstens sechs.«
»Ich will es sowieso nicht auf einen Schusswechsel ankommen lassen. Das Ding, das er dabeihatte, sah nach einer Automatik aus.«
»Klingt gar nicht gut.«
»In deren Magazin können über dreißig Patronen stecken. Wenn er will, kann er die innerhalb weniger Sekunden abfeuern und so einen großen Bereich bestreichen.«
»Das spricht definitiv gegen einen freiwilligen Schusswechsel. «
»Dazu kommen kann es allerdings schon.«
Sie schwieg. »Mir schwant gerade was richtig Übles«, sagte sie dann.
»Verrat es mir ruhig.«
»Können wir eigentlich sicher sein, dass er momentan auf eigene Rechnung arbeitet?«
»In der Kneipe kam es mir so vor. Wenn jemand von Staats wegen andere Leute umbringt, dann bekommt er dafür ein Monatsgehalt, keinen Umschlag mit Bargeld.«
»Aber wenn er diese ganzen Hacker und wer weiß was für Leute hat, die ihn technisch unterstützen, wieso ist er dann der Einzige, der uns konkret verfolgt?«
»Offenbar haben ihn Leute angeheuert, die nicht mit deiner Ermordung in Verbindung gebracht werden wollen. Deshalb liefern sie ihm Unterstützung, vermeiden es jedoch, ihre eigenen Vollstrecker loszuschicken. Sie ziehen nur die Fäden im Hintergrund.«
»Mag sein, aber eigentlich haben die sich ja gedacht, alles geht glatt, und es sollte so aussehen, als hätte mich irgendein anonymer Einbrecher umgebracht. Jetzt hat die Lage sich geändert.«
»Kann man wohl sagen«, gab Tim zu.
»Wenn sie also der Meinung sind, die Lage sei außer Kontrolle geraten, dann schicken sie vielleicht doch ein paar Leute mehr los. Und was dann?«
»Dann sind wir geliefert.«
Sie kamen zu einer Kreuzung, an der es geradeaus nicht mehr weiterging. Die neue Straße, auf die sie gestoßen waren, führte in nördlicher und südlicher Richtung an der letzten besiedelten Anhöhe entlang.
Tim wandte sich nach rechts, also nach Süden, und beschleunigte. Hier waren die Häuser größer und nobler als auf den unteren Hängen. Zwei Kreuzungen weiter gerieten sie in eine Sackgasse.
»Scheiße«, murmelte er, während er den Korallenbaum auf der Verkehrsinsel in der Mitte des Rondells umkreiste. Wohl wissend, wie viel Zeit sie verloren hatten, raste er zurück
zu der Kreuzung, an der sie eingebogen waren, und dort weiter geradeaus.
Drei Querstraßen später endete auch der nördliche Teil der Straße in einer Sackgasse.
Wenn sie den Hügel auf derselben Route verließen, die sie heraufgekommen waren, dann fuhren sie direkt auf Kravet zu. Der aber würde sie auf seinem Bildschirm kommen sehen.
Tim umkreiste wieder einen Korallenbaum, verließ das Rondell und lenkte den Wagen ein kurzes Stück weiter an den Straßenrand. Dann schaltete er Scheinwerfer und Motor aus und sagte: »Gib mir die Pistole.«
»Was haben wir vor?«
»Die restlichen Patronen aus deiner Handtasche. Die brauche ich auch. Schnell!«
Sie kramte in ihrer Tasche und fand fünf Patronen.
Er ließ die Munition in seine Brusttasche fallen. »Uns bleiben vielleicht zwei Minuten. Nimm die Reisetasche, die Handtasche und die Taschenlampe.«
»Warum drückst du nicht auf die Hupe? Wir könnten die Leute ringsum aufwecken!«
»Nein. Los, komm!«
»Dann gäbe es zu viele Zeugen. Er würde es nicht wagen zu schießen.«
»Doch, das würde er«, sagte Tim.
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