Blutwahn - Der Schrecken am See
es ihr.
Vor ihren Augen fand eine Metamorphose des Grauens statt. Philipp saß jetzt aufrecht im Bett, mit blutunterlaufenen, weit aufgerissenen Augen. Aus seiner Kehle kam ein tierisches Grollen. Risse zogen sich durch seine immer grauer werdende Haut, wie Glas, das einen Sprung bekommen hatte. Dann bildeten sich dunkle Schlünde in seinem Gesicht und auf seinem Körper, wie schwarze Bienenwaben. Es wirkte, als wäre er von einem Dämon infiltriert, der sich nun aus ihm herausschälte. Seine Gesichtszüge verwandelten sich in eine monströse Fratze. Mund, Nase und Augenpartien begannen sich zu entstellen, während er furchteinflößend knurrte und seinen Kopf von eine Seite auf die andere und zurück bewegte. Jana schluchzte, Tränen liefen ihr die Wange herunter. Sie musste an einen Werwolf-Film denken, in dem sie eine ähnliche Verwandlung gesehen hatte. Nur war das hier kein Film mit Trickeffekten und Maskenbildnern, sondern die grausige Realität. Und dieses zombieartige Ungetüm dort, war Janas Freund gewesen, den sie lieb hatte und der ihr am Herzen lag. Jetzt schaute er sie mit dämonischen Augen an und stieß ein Brüllen aus, das nichts menschliches mehr an sich hatte. Ganz sicher lag in diesem Laut nichts mehr von Philipps Stimme und Persönlichkeit. Entschlossen und kraftvoll warf das Wesen die Decke zur Seite und sprang aus dem Bett. Voller Entsetzen machte Jana einige Schritte rückwärts, drehte sich um, lief ins gegenüberliegende Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Zu ihrem Glück steckte ein Schlüssel, den sie hastig im Schloss umdrehte. Ihr Herz raste und sie war schier überwältigt von diesem ganzen Grauen. Mit roher Gewalt prallte jetzt ihr Verfolger gegen die Tür, hämmerte wütend dagegen und brüllte, dass Jana ein eiskalter Schauder durchlief. Erneut schluchzte sie und für einen kurzen Moment schloss sie ihre Augen. Das kann doch alles nicht wahr sein, dachte sie.
Es wird immer schlimmer. Erst habe ich Philipp verloren und nun ist er auch noch eine von diesen Bestien geworden.
Der Gedanke, einfach auf den Boden zu sinken, die Augen nicht mehr zu öffnen und sich die Ohren zuzuhalten verlockte Jana wie eine unwiderstehliche Versuchung. Wieder hämmerte es gegen die Tür, die nicht gerade sonderlich massiv war. Jana war kurz davor zu resignieren und sich in ihr Schicksal zu ergeben, als sich eine Stimme in ihrem Kopf meldete, die sie aufforderte zu kämpfen. Du bist stark und lässt dich von nichts und niemandem kleinkriegen .
Jana öffnete die Augen und war entschlossen zumindest alles zu versuchen, um hier lebend herauszukommen. Sie griff nach ihrem Handy und schaute, ob es endlich Empfang hatte. Negativ! Sie schmetterte es gegen die Wand, anschließend klatschte es zu Boden. Wofür brauchte sie dieses Hightech-Gerät noch, wenn es ihr in der Not eh nicht half. Sie musste hier raus. Aus dem Fenster in die schwarze Nacht zu springen, war wohl ihre einzige Option. Bei den paar Metern würde sie sich schon nicht gleich die Beine brechen. Viel mehr Angst hatte sie davor, dass diese Wesen im Dunklen auf sie lauerten, denn dann wäre es definitiv für sie zu Ende. Im Flur war es jetzt seit etwa einer Minute still. War Philipp verschwunden? Jana biss sich auf die Lippe. Das war nicht mehr Philipp, das musste sie begreifen, dachte sie. Das war eine von was auch immer infizierte, mordlustige Kreatur, die sie als Mahlzeit wollte. Jegliches Zögern und Zaudern aus dem Gedanken heraus, dass das Wesen Philipp war, konnten ihren Tod bedeuten, falls es zu einem Kampf kam. Aber vielleicht gab es ja auch ein Gegenmittel? Etwas, dass Philipp wieder zurückbringen konnte? Sie verwarf diesen Gedanken, denn sie glaubte einfach nicht daran. Ihr Freund war vielleicht nicht tot, aber er war nicht mehr - ganz einfach. Damit musste sie sich abfinden.
Sie legte ihren Kopf an die Tür und lauschte. Es herrschte absolute Stille, lediglich das schwächer gewordene Plätschern des Regens auf dem Dach war zu hören. Konnte es sein, dass dieser Zombie nach unten gegangen war? Das hätte sie aber ja eigentlich hören müssen. Nein, wahrscheinlich verharrte er da irgendwo und lauerte. Auf einmal gab es einen atemberaubend lauten Knall, Holz splitterte und Jana wurde mit immenser Kraft nach hinten geschleudert. Die Kreatur war mit unmenschlicher Gewalt durch die Tür gesprungen, hatte sie an der Schulter gerammt und zu Boden geworfen. Sie lag jetzt neben ihr und knurrte animalisch.
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Für einen
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