Blutwelt
Cavallo.
Nur tat man so etwas nicht grundlos. Marek suchte nach einem Motiv. Er fragte sich, ob die andere Seite ihm nur einen Schrecken einjagen wollte, aber das war auch nicht der Fall, denn hier liefen die Dinge völlig durcheinander.
Diese blutgierige Person hatte etwas Bestimmtes mit ihm vor. Sie war nicht mal so sehr an seinem Blut interessiert, denn sie hatte sich bei Dunja satt getrunken.
Er zitterte innerlich. Plötzlich jagten wieder Hitzewellen in ihm hoch.
Er begann zu schwitzen. Der Schweiß klebte auf seiner Haut. Innerlich zitterte er, und es kam der Zeitpunkt, an dem er seinen Zustand einfach nur hasste.
Er hasste die verdammten künstlichen Vampirzähne in seinem Mund. Da gab es für ihn nur eine Möglichkeit. Das Gebiss musste weg. Rausreißen und zur Seite schleudern.
Es war eine lächerliche Sache. Den Arm heben, ihn anwinkeln, zupacken, und die Sache war erledigt.
Wenn – ja wenn die Kraft ausgereicht hätte. Aber die reichte nun mal nicht aus. Es war ihm unmöglich, den Arm in die Höhe zu drücken. Die Anstrengung war einfach zu groß für ihn, denn er war durch die langen Stunden am Pfahl und im Sarg zu schwach geworden.
Marek verfluchte sich, weil er nicht 40 Jahre jünger war, aber daran ließ sich nun mal nichts ändern.
Er selbst stellte sich ruhig. Zusammenreißen, das allein zählte. Alles andere war unwichtig geworden. Die Kräfte sammeln und einen erneuten Versuch unternehmen, dann würde es vielleicht klappen.
Ein fremdes Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken, und sein Körper zog sich zusammen. Er wusste, dass die Cavallo kam, aber sie betrat den Raum viel zu früh.
Er hasste plötzlich alles, schielte durch den Spalt nach oben und bemerkte auch einen schwachen Lichtschein, der in das Dunkel hineindrang.
Aus, vorbei, zu spät...
***
Es war für mich nicht zu beschreiben, mit welchen Gefühlen ich den Raum betrat, in dem sich alles entscheiden sollte und sich Mareks Schicksal bereits entschieden hatte.
Bill durfte nicht mit mir gehen. Er musste in der Nähe der blonden Bestie bleiben, damit sie einen lebendigen Trumpf in der Hand hielt. So würde ich das tun müssen, was sie wollte, und die Waffe dafür steckte bereits in meiner linken Seitentasche.
Ich bewegte mich langsam. Alles so lange wie möglich hinauszögern, obwohl ich wusste, dass ich den Problemen nicht davonlaufen konnte.
Frantisek Marek ein Vampir!
Das war nicht möglich! Das durfte nicht sein. Das war so verflucht irreal, und trotzdem konnte ich mich von dem Gedanken nicht befreien, wobei ich bald mit eigenen Augen sehen würde, was aus dem alten Freund geworden war.
Es war mir nicht möglich, meine Gefühle völlig unter Kontrolle zu halten, deshalb stöhnte ich auf, und um meinen Magen herum schienen sich unzählige Drähte gewickelt zu haben.
Ich hatte den Bereich der Tür verlassen. Links neben mir schob sich Dunja an mir vorbei. Sie trug die Kerze und sorgte so dafür, dass die Dunkelheit in diesem fensterlosen Raum verschwand.
Im Hintergrund blieb sie stehen, ohne mich aus den Augen zu lassen. Hinter mir wusste ich die blonde Bestie mit den beiden Berettas, so war ich in die Zange genommen worden.
Vor mir stand der Sarg!
Mittelpunkt dieser Blutwelt, in der die Cavallo eine Königin sein wollte.
Es war eine regelrechte Totenkiste, die eine flachere Form besaß als die Särge bei uns in England. Man sah sie oft in den Aufnahmen aus den Krisengebieten, wenn sie über die Köpfe einer Menge hinweg zur Beerdigung gereicht wurden.
Durch das Licht erhielt ich die Chance, auf den Deckel zu schauen. Er lag zwar auf dem Sarg, aber an einem seiner beiden Enden etwas schräg, damit Luft in das Unterteil dringen konnte, als wäre sie für die Person wichtig, die darin lag.
Bestimmt nicht für einen Vampir!
Noch hatte ich nicht gesehen, wer die Totenkiste mit seiner Gestalt ausfüllte, weil der Spalt nicht breit genug war. Aber ich konnte mir vorstellen, dass Marek darin lag, und dieser verdammte Gedanke ließ mich wieder erzittern.
»Du kannst den Deckel ruhig hochheben, Sinclair!«, hörte ich die Stimme der Cavallo.
»Ist gut.«
Ich wünschte mich weit weg. Zusammen mit Bill und Marek. Und dieser Cavallo wünschte ich einen Platz im heißesten Höllenfeuer, aber das war einfach nicht möglich.
Da ich beide Hände freihatte, konnte ich den Sargdeckel an den verschiedenen Seiten packen. Mein Nacken war feucht vom Schweiß, der wie eine kalte Schicht auf der Haut lag. Mein Herz klopfte schneller,
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