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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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des Abfalleimers öffnete.
    Ganz oben, auf einem Nest aus zusammengerolltem Toilettenpapier, Zahnstochern und zerknüllten Kleenex mit Make-up-Resten, lag ein benutztes Kondom.
    Er musste sich mit beiden Händen am Waschbecken festhalten, die Kacheln schienen sich zu verbiegen. Er durfte sich da nicht einmischen, sie hatte ihr eigenes Leben. Sein Körper war damit allerdings gar nicht einverstanden. Er schmiss die Zahnpastatube in den Abfalleimer und ließ den Deckel zufallen. Dann drehte er den Kaltwasserhahn auf, spritzte sich Wasser ins Gesicht und spuckte ins Waschbecken: Ein zäher blutiger Klecks zog sich langsam zum Abfluss. Sein Rachen schmeckte nach Eisen. Die Müdigkeit kehrte zurück, ein Hammer auf den Hinterkopf, und alles wurde schwarz.
    »Aufwachen, Papa. Sofort!« Maria zerrte an ihm. Hatte sie geweint? Die Decke aus Müdigkeit ließ sich nicht lüften. Die Kopfschmerzen schlugen wieder zu. Sein Mund schmeckte nach Blut und Metall. Schlechter Atem.
    »Mmh?« Er zog den Arm an sich, zerrte die Decke über den Kopf.
    Sofort wurde sie ihm wieder heruntergerissen. Blutrotes Licht brannte sich durch die geschlossenen Lider.
    »Papa!«
    Irgendetwas war mit ihrer Stimme. Er setzte sich auf und rieb sich die Augen. In der Wohnung schluchzte jemand leise und anhaltend.
    Er öffnete die Augen und sah Maria vor sich stehen. In hässlichen Streifen zogen sich Mascara und Eyeliner über ihre Wangen. Aber da weinte doch jemand anders, oder?
    »Was ist los?«, murmelte er.
    »Es geht um Caro. Sie wurde heute Nacht vergewaltigt.«
    »Ist sie im Krankenhaus gewesen?« Plötzlich war er hellwach, stand auf. Das Blut verschwand aus seinem Kopf. Er schwankte, aber die an die Bettkante gedrückten Schenkel hielten ihn aufrecht, bis das Blut zurückkehrte. Er griff nach seiner Hose und einem Pullover und fing an, sich anzuziehen.
    Maria zitterte. Als er sich den Pullover über den Kopf zog, setzte sie sich auf die Bettkante, sie war am Ende ihrer Kräfte.
    »Wir müssen sie ins Rigshospital bringen. Kennt sie den Täter?« Lars knöpfte sich die Hose zu.
    »Könnte er es gewesen sein, Papa?«
    Konnte ein Satz wie ein Schlag in die Magengrube sein? Lars musste sich an der Wand abstützen, um nicht zusammenzubrechen.
    »Wo ist sie?«, brachte er stammelnd heraus.
    Caroline saß im Wohnzimmer auf dem Sofa, ganz in die Ecke gedrückt. Sie war kaum wiederzuerkennen. Das lange blonde Haar war zerzaust, ständig fuhr sie mit den Händen darin herum, kratzte und wühlte. Sie starrte aus dem Fenster und schaukelte mit dem Oberkörper vor und zurück. Die grünen Augen waren leer, die Augenpartie blutunterlaufen und geschwollen, die Nase eigenartig schief. Sie hatte Schluckauf und wischte sich mit dem Pulloverärmel die Nase ab.
    Sie setzten sich neben sie.
    »Caroline?« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Du musst ins Krankenhaus. Ich rufe einen Wagen.« Caroline antwortete nicht, behielt nur ihr Schaukeln bei. Starrte in die Luft. Ein dichtes Muster an Wunden und Kratzern kreuz und quer über der Kopfhaut. Geronnenes Blut im Haar. »Sie ist nicht im Bad gewesen, oder?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Maria. »Sie hat mich erst gegen Mittag angerufen …« Sie biss sich auf die Knöchel, schaute ihre Freundin an. »Ihre Finger waren total weich gelutscht, als ich kam.«
    Lars stand auf, klopfte sich auf die Taschen. Wo war sein Handy?
    »Bleib bei ihr. Ich telefonier mal schnell.«
    Es musste in der Jacke am Eingang stecken. Mit ein paar großen Schritten war er dort, nahm die Jacke vom Haken, zog das Telefon heraus und drückte die 2. Lars bat den Wachhabenden, einen Streifenwagen zu seiner Adresse zu schicken, und ging zurück ins Wohnzimmer.
    »Hat sie etwas zu trinken bekommen? Wir müssen ihr etwas Wasser geben.« Maria nickte, es gelang ihr, die Freundin zum Aufstehen zu bewegen. Lars hörte den Wasserhahn, während er sich Strümpfe und Schuhe anzog.
    Vier Minuten später warteten sie auf dem Folmer Bendtsens Plads. Maria hatte einen Arm um Caroline gelegt, Lars stand einen halben Schritt vor ihnen. Er riss die Hintertür auf, sowie der Streifenwagen am Bordstein hielt, half Maria und Caroline auf den Rücksitz und setzte sich neben sie.
    »Rigshospital. Zentrum für sexuelle Übergriffe«, sagte er. Die Reifen quietschten, als der Beamte am Steuer auf die Straße abbog und über die Nørrebrogade schoss. Es hatte angefangen zu nieseln.
    Die diensthabende Krankenschwester warf einen einzigen Blick auf Caroline.

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