Blutwurstblues. Ein Mick-Brisgau-Krimi: Der große Roman mit dem Team von Der letzte Bulle (German Edition)
fand Micks Vollgasfahrt ein jähes Ende vor der heruntergelassenen Schranke, die das Areal sicherte. Die farbig bemalte Dachlatte hätte Mick kaum aufhalten können, hätte sich nicht der Pförtner selbst in einem todesmutigen Akt vor die Schranke gestellt, als er den Wagen heranrasen sah. Mick ging in die Eisen und kam nur Zentimeter vor dem kräftigen Mann mit graumeliertem Haar zum Stehen.
»Mann! Alter, mach den Weg frei!«, fluchte Mick und zeigte seine Marke. Der Pförtner dachte jedoch gar nicht daran. Andreas kurbelte das Fenster herunter. »Guten Tag! Kringge. Wir haben eben telefoniert.«
»Das kann nicht sein. Meine Schicht hat eben erst angefangen«, erwiderte der graue Panther mit einer Ruhe, die selbst Andreas fuchsig machte.
»Und wo ist Ihr Kollege, mit dem ich eben gesprochen hab?«
»Feierabend«, lautete die lapidare Antwort des Pförtners. Er nahm den Wagen näher in Augenschein. »So, so. Sie wollen also Polizisten sein«, stellte er fest und deutete auf die beiden Chinesinnen auf der Rückbank. Mick und Andreas blickten sich an. Zugegeben, Micks Wagen und die darin sitzenden Passagiere sahen jetzt nicht unbedingt nach hochoffizieller Polizeimission aus, aber bei dem Pförtner waren sie auch an einen Typen geraten, der eindeutig sein Kleiner-Mann-ganz-groß-Syndrom auslebte.
»Wenn ich ihn umfahre, können wir da nicht mit ›Gefahr im Verzug‹ argumentieren?«, raunte Mick Andreas zu, doch der schüttelte den Kopf und reckte sich stattdessen noch mal aus dem Auto.
»Sie behindern gerade einen wichtigen Einsatz, bei dem es mitunter sogar um Leben und Tod geht. Wir fordern Sie jetzt letztmalig auf, den Weg frei zu machen.«
Der Pförtner rührte sich nicht vom Fleck. »Na, ich ruf zur Sicherheit erst noch mal meinen Vorgesetzten.«
»Du sitzt gleich vor meinem Kühler, du Kleiderständer! Mach Platz jetzt!« Mick ließ den Motor aufheulen.
»Ah, ah, ah!« Jetzt wurde auch der Pförtner nervös und griff an seine Hüfte.
»Scheiße! Wer hat dem Idioten denn ’ne Waffe gegeben?!« Andreas war fassungslos, und im nächsten Augenblick blickten sie tatsächlich in den Lauf einer Pistole.
»Wir machen jetzt erst mal schön den Motor aus, ja?!«
Mick prügelte wütend auf das Lenkrad ein.
»Ich sagte: Motor …« Der Pförtner stockte, denn plötzlich drang eine aufgeregte Stimme aus seinem Funkgerät. Hinter ihm rannten Lagerarbeiter aus dem Cargoterminal. Der Aufruhr lenkte den Pförtner kurz ab.
»Festhalten!«, war Micks einziger Kommentar, dann drückte er das Gaspedal durch. Die Reifen des Diplomats scheuerten quietschend über den Asphalt und ließen dem Pförtner gerade noch genügend Zeit beiseitezuspringen, bevor der Wagen nach vorne schoss. Die rot-weiß lackierte Schranke zersplitterte an der Windschutzscheibe, dann war der Weg frei. Zum Eingang des Gebäudes waren es nur wenige hundert Meter, die sie in kürzester Zeit zurücklegten. Dennoch konnten Mick und Andreas nur hoffen, dass sie nicht schon die entscheidenden Sekunden verloren hatten. Mick bremste vor dem Eingang der Lagerhalle, und die Ermittler sprangen aus dem Wagen. Die Lagerarbeiter waren in sicherer Entfernung stehengeblieben und beobachteten verstört das Schauspiel. Li-Zi riss ebenfalls die Tür auf, doch als sie Micks Blick traf, erinnerte sie sich an ihr Versprechen.
»Du hältst uns den Typen vom Leib!«, sagte Mick und deutete in die Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. Der Pförtner kam auch schon angerannt. »Vorausgesetzt, du wirst mit dem fertig«, grinste Mick und eilte dann Andreas hinterher, der auf dem Weg in die Lagerhalle war.
Die Halle schien menschenleer. Mick und Andreas tasteten sich mit gezogenen Waffen vor. Das Cargo Center war einfach strukturiert. Von einem fast 300 Meter langen, zentralen Mittelgang zweigten im Abstand von jeweils 10 Metern rechts und links immer wieder Gänge ab, in denen sich das Frachtgut in Regalen auf Europaletten stapelte. Da die komplette Höhe des siebenstöckigen Gebäudes genutzt wurde, kamen sich Mick und Andreas wie zwei Ameisen vor, die zwei weitere Ameisen in Gullivers Supermarkt suchten.
In der gespenstischen Stille meinte Mick, das Gurren von Tauben wahrzunehmen, aber der Schall wurde von Decken und Wänden so oft reflektiert, dass es unmöglich war, die Quelle auszumachen. Doch dann ließ das Klirren von Metall, das auf harten Betonboden fiel, Mick und Andreas herumfahren und gab ihnen eine neue Richtung vor. Andreas hielt zwei Finger hoch.
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