Blutzeichen
Glasplatte.
»Oh, tut mir Leid, das hat jetzt die Endsumme durcheinander gebracht, oder?«
Brian kicherte. »Mister, Sie haben gerade gut tausendfünfhundert Dollar ausgegeben. Die Karte geht aufs Haus«, erwiderte er, während er gleichzeitig den Kassenbon betrachtete, der gerade ausgedruckt wurde.
Er riss den Kreditkartenbeleg ab und reichte ihn mir.
Während ich ihn unterschrieb, fragte ich: »Ich wollte noch was Warmes essen, bevor ich rausfahre. Können Sie mir was empfehlen?«
»Direkt auf der anderen Straßenseite, das Howard’s. Wenn Sie da nicht mindestens zweimal gegessen haben, während Sie hier sind, war ihre Reise nach Ocracoke umsonst.«
»Ich werd’s ausprobieren.« Ich gab ihm den Beleg zurück und schaute auf den Berg von Ausrüstungsgegenständen auf dem Boden. »Brian«, sagte ich, während er eine Dose Kautabak öffnete und eine ordentliche Prise nahm. »Wollen Sie mir wirklich erzählen, dass das alles hier in den Rucksack passt?«
Er schüttelte den Kautabak kurz in der Hand und stopfte ihn dann zwischen Zähne und Unterlippe.
»Klar«, meinte er.
»Was dagegen, mir zu zeigen, wie das gehen soll?«
37. Kapitel
Obwohl sich Violet danach sehnte, es ihm persönlich zu sagen, wusste sie nicht, ob sie es noch so lange für sich behalten konnte – so lange, bis sie Scottie Myers und die Kites befragt, den Bericht für Sergeant Mullins verfasst und die neunstündige Fahrt nach Davidson hinter sich gebracht hatte. Daher saß sie auf dem Parkplatz von Howard’s Pub in ihrem Cherokee und wählte Max’ Handynummer.
Er wird nicht drangehen, dachte sie, während das Telefon klingelte. Es war Donnerstagnachmittag, 14.15 Uhr, also hatte die sechste Stunde gerade begonnen – elfte Klasse Englisch, seine Lieblingsstunde. Max beendete gerade eine Unterrichtsreihe über Poe (er nahm Poe immer um Halloween herum durch). Sie hatte ihm zugeschaut, wie er sich erneut den an vielen Stellen unterstrichenen Text aus »Die schwarze Katze« vorgenommen hatte, kurz bevor sie nach Ocracoke aufgebrochen war.
Sie war nicht überrascht, dass Max nicht dranging. Während des Unterrichts hatte er sicher sein Handy ausgeschaltet, aber sie war noch nicht so ungeduldig, um ihm eine Nachricht auf den Anrufbeantworter zu sprechen. Daher ließ sie ihr Handy wieder auf den Beifahrersitz fallen und dachte sich, während sie hinter dem Lenkrad saß und der Regen aufs Dach trommelte, verschiedene Varianten aus, es ihm zu sagen.
Max, ich bin schwanger… Max, wir sind schwanger…Du wirst bald Vater… Max, ich werde Mutter sein… Weißt du noch, wie auf den Schwangerschaftstests immer nur ein Streifen zu sehen war? Heute waren es zwei, Liebling.
Sie glühte vor Freude und dachte gleichzeitig: Wie merkwürdig es ist, im glücklichsten Moment meines Lebens unter so schrecklichen Umständen auf dieser trostlosen Insel zu sein.
Sogar der Regen war auf einmal schön. Sogar ein Müllcontainer, der in der Nähe stand. Und vor allem das Waschbecken in ihrem Hotelzimmer im Harper Castle, auf das sie heute Morgen den Schwangerschaftstest gestellt und zugesehen hatte, wie er sie zur Mutter erklärte.
Sie dankte Gott und sonnte sich in den euphorischen Gefühlsanwandlungen, die sie überkamen und die Lügen, die sie über sich selbst geglaubt hatte, fortwischten – du wärst keine gute Mutter, du bist nur ein Kind, du verdienst es nicht, du bist nicht würdig. Sie sah ihre Verunsicherung in vollem Licht, ihre Feigheit, ihre Unfähigkeit und ihr Versteckspiel. Doch sie gewann die Oberhand und wurde immun dagegen, und sie begriff, dass das Leben wundervoll sein könnte, wenn sie sich immer so fühlte statt wie bisher, besessen von der Angst, zu versagen.
Als sie die Tür öffnete und hinaus in den Regen trat, kam ihr das allerschönste Bild in den Sinn – wie die riesigen, schwieligen Hände ihres Vaters sich schützend um sein kleines zappelndes Enkelkind legen.
Vi betrat Howard’s Pub und wurde sofort umfangen von dem Gestank nach gebratenem Fisch und abgestandenem Rauch. Die jugendliche Bedienung kam hinter der Theke hervor, wo sie sich auf einem der mindestens sechs Fernsehbildschirme eine Soap-Opera ansah.
»Hallo«, sagte sie und nahm dabei eine Speisekarte vom Tresen. »Eine Person zum Mittagessen?«
»Eigentlich bin ich gekommen, um Scottie Myers zu treffen. Soweit ich weiß, arbeitet er heute, oder?«
»Er ist in der Küche. Ich werde ihn für Sie holen.«
Nachdem die Bedienung gegangen war, um Scottie
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