Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blutzeichen

Titel: Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
Vom Netzwerk:
Austern?«
    »Mmh, klar.«
    »Ich werd ein paar öffnen und Ihnen eine Vorspeise bringen. Schauen Sie doch mal in die Speisekarte und suchen sich ein Hauptgericht aus. Sehen Sie dort drüben das Seil von der Decke hängen?« Er zeigte auf einen Alkoven auf der anderen Seite des Raumes. »Am Ende ist ein Ring befestigt. Was Sie tun müssen, ist: den Ring nehmen, einen Schritt zurücktreten und dann versuchen, ihn über den Haken in der Wand zu werfen. Jeder, der ins Howard’s kommt, muss Ringwerfen spielen.«
    Scottie ging zurück in die Küche und verschwand durch die Schwingtür. Vi schaute auf ihre Uhr. Sie hatte noch fast zweieinhalb Stunden Zeit, bis sie die Kites ein zweites Mal befragen konnte, und sie war heute Morgen so aufgeregt gewesen, dass sie völlig vergessen hatte, etwas zu essen.
    Daher ging sie hinüber in den Alkoven und spielte Ringwerfen, während sie auf ihr Mittagessen wartete. Sie schämte sich nicht, etwas Zeit zu vertrödeln. Die Spur war mager, und es schien immer wahrscheinlicher, dass Luther Kite schon sehr lange keinen Fuß mehr auf die Insel gesetzt hatte. Abgesehen davon war Ocracoke, das absolute Gegenteil von Hast, eine der Inseln, auf der man an regnerischen Herbstnachmittagen drinnen blieb und aus Müßiggang eine Tugend machte.

38. Kapitel
     
    Die Kellnerin versicherte mir, dass die Austern, die ich bestellt hatte, heute früh im Pamlico Sound geerntet worden waren. Als ich einen doppelten Jack Daniels bestellte, wurde ich darauf hingewiesen, dass Hyde County »semidry« sei, mit anderen Worten: dass keine harten Getränke im Ausschank waren. Daher begnügte ich mich mit einem Glas süßem Tee, lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und genoss die vom Heizstrahler gewärmte Luft und diese letzte kurze Phase der Zerstreuung.
    Ich hatte einen Tisch im Wintergarten von Howards Pub gewählt, sodass ich alleine essen und dem Regen lauschen konnte, der auf die Bambusumzäunung des Gebäudes fiel. Ich trug bereits die lange Unterwäsche und die Flieshose und war bereit, direkt nach dem Essen nach Portsmouth aufzubrechen.
    Ich holte die Karte hervor, entfaltete sie auf dem Tisch, überflog die kurze Geschichte der Insel und erfuhr so zu meiner Überraschung, dass Portsmouth einst bewohnt gewesen war. Im 18. und 19. Jahrhundert hatte sich der wichtigste Hafen der Carolinas auf dieser damals am dichtesten besiedelten Insel der Outer Banks befunden. 1846 hatte ein Hurrikan die Zufahrt über Hatteras und Oregon im Norden geöffnet. Diese tiefere und sicherere Schifffahrtsroute hatte Ocracoke bedeutungslos werden lassen. Mit Rückgang der maritimen Industrie ging es auf Portsmouth die nächsten hundert Jahre stetig bergab. Die letzten beiden Einwohner verließen 1971 die Insel, seither wurde die Geisterstadt nur noch von Touristen und Nationalparkschützern besucht.
    Soweit ich das auf der Karte erkennen konnte, war die Insel von Stränden und einem flachen, breiten Watt umgeben und bestand im Landesinneren hauptsächlich aus dichtem Gebüsch. Durch das Dickicht führten einige primitive Pfade und am Nordende der Insel gab es immer noch etwa zwanzig Gebäude, die Überreste der alten Ortschaft. Die Insel war so winzig, dass es sich kaum lohnte, sie auf einer Karte zu verzeichnen – ein schmutziger Streifen, der den Sund vom offenen Meer trennte. Wenn sich Luther dort aufhielt, würde ich ihn finden.
    Die Tür des Speisesaals öffnete sich quietschend und eine junge Frau in Barbourjacke betrat den Wintergarten. Sie setzte sich an einen Tisch unter dem zweiten Heizstrahler auf der anderen Seite des Raums. Als sich unsere Blicke trafen, nickte ich ihr lächelnd zu.
    Sie erwiderte das Lächeln.
    Eine Südstaatlerin, dachte ich. Wer sonst lächelt einem Fremden zu?
    Eine Kellnerin brachte ihr einen Teller Rockefeller-Austern als Vorspeise und beim Essen las die kleine Blondine die Speisekarte. Sie konnte unmöglich älter als fünfundzwanzig sein, daher überlegte ich, ob sie wohl auf der Insel lebte und falls nicht, was sie dann alleine hier auf Ocracoke machte.
    Ich konzentrierte mich wieder auf die Karte und prägte mir die Topografie von Portsmouth ein, bis mir die Kellnerin meinen Teller frittierte Austern mit Krautsalat und Brot brachte. Als sie zurück in den Speisesaal ging, schaute ich quer durch den Wintergarten zu der entzückenden Blondine hinüber.
    Sie schaute auf und ihr Blick nahm mich völlig gefangen.
    Ihre Augen wanderten wieder zur Speisekarte zurück, während ich wieder auf

Weitere Kostenlose Bücher