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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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zu suchen, schlenderte Vi in den Speisesaal dieses bescheidenen Pubs, das ihr seit ihrer Ankunft in Ocracoke schon mindestens fünfmal empfohlen worden war. In einer Ecke entdeckte sie ein Tischfußballspiel. In einer anderen Ecke hing ein Dartboard. Von den Holzbalken der Decke hingen Wimpel der verschiedensten Profi- und Amateursportvereine.
    An den Speisesaal schloss sich ein Wintergarten an, in dem der einzige Gast, ein langhaariger Mann, unter einem glühenden Heizstrahler an einem Tisch saß. Das Howard’s strahlte den Charme eines alten Baseballhandschuhs aus, es war einer dieser Dorfpubs, die nie zumachten, nicht mal an Heiligabend oder bei Wirbelstürmen. Selbst an einem kalten und regnerischen Nachmittag wie diesem, an dem im Pub absolut nichts los war, konnte sie das Gelächter und das gesalzene Seemannsgarn hören, das bei Schellfisch und Bier erzählt wurde und sich in die vom Rauch dunklen Wände, die abgetretenen Dielen und die abgestoßenen Möbel eingegraben hatte. Das Howards besaß eine warmherzige Geschichte, das konnte man fühlen. Die Leute wollten hier sein und liebten diesen Ort.
    In der Schwingtür tauchte ein schlanker Mann auf, der um die Mitte dreißig sein musste. Während er auf Vi zuging, wischte er sich die Hände an seiner Schürze ab. Sie bemerkte die Fischeingeweide auf dem Stoff und hoffte, dass er ihr nicht die Hand schütteln würde.
    »Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Miss?«
    »Mr Myers?«
    Scottie strich sich über seinen dunklen Schnurrbart und sah sie fragend an.
    »Ja, warum?«
    »Ich bin Detective Violet King vom Davidson Police Department.« Sie holte ihre Marke aus der Tasche und hielt sie ihm kurz hin. »Dürfte ich Ihnen wohl ein paar Fragen stellen?«
    »Irgendwas nicht in Ordnung?«
    »O nein, Sir. Sie haben nichts verbrochen.« Sie lächelte und berührte seinen Arm.
    »Setzen wir uns einen Moment. Es dauert nicht lange.«
    Sie setzten sich an die Barecke und Vi kam gleich zum Thema, indem sie ihn fragte, ob er Luther Kite kenne. Scottie musste einen Moment nachdenken, strich sich dabei erneut über den Schnurrbart und starrte auf die beeindruckende Ansammlung von Bierflaschen. Fast zweihundert Flaschen standen dicht nebeneinander aufgereiht auf Glasregalen, die eigentlich für die Spirituosen gedacht waren.
    »O ja«, meinte er schließlich. »Ich erinnere mich an ihn. Hat er was angestellt?«
    »Nun, dazu kann ich nichts sagen, aber… wissen Sie, wo er sich momentan aufhält?«
    »Nee, bestimmt nicht. Großer Gott, muss um die zehn Jahre her sein, dass ich ihn gesehen hab. Kannte ihn nicht mal gut, als ich ihn kannte. Wissen Sie, was ich meine? Er war einer von diesen stillen Einzelgängern. In der High School sind wir beide mit meinem Daddy Krabben fangen gegangen. Das war der einzige Grund, warum ich ihn überhaupt kannte. Daddy hat ihm den Job gegeben. Wir waren nicht mal Freunde oder so. Tatsache ist, dass ich ihn nicht mochte. Die ganze Familie ist seltsam.«
    »Mr Myers, alles, was Sie mir über ihn sagen können, wäre eine große Hilfe.«
    »Ich weiß nicht, was ich Ihnen erzählen soll. Ich kenne ihn nicht besser, als ich Sie kenne. Wer hat denn gesagt, dass ich ihn gut kenne?«
    »Seine Eltern.«
    »Tja, tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann.«
    Scottie schaute auf einen Fernseher in der Nähe. Auf dem Bildschirm stand ein perfekt frisiertes Paar in Bademänteln vor einem Kamin und küsste sich im schummrigen Licht. Er schaute wieder zu Vi und grinste.
    »Wie alt sind Sie?«, fragte er.
    » Sechsundzwanzig.«
    »Und Sie sind schon Detective? Sind doch noch ein Küken. Schon viele Fälle gelöst, Miss King?«
    »Einige.«
    »Darauf wette ich. In der Tat.«
    Vi bemerkte eine Veränderung in seinem Blick. Die Angst hatte sich in lüsternes Interesse verwandelt.
    »Vielen Dank, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert haben, Mr Myers.« Vi ließ sich vom Barhocker gleiten.
    »Klasse, was Sie schon alles erreicht haben«, meinte Scottie. »Sie machen Ihren Job gut, das kann ich riechen. Lassen Sie sich nie von einem Mann bescheißen. Wir unterschätzen Sie. – Schon zu Mittag gegessen?«
    »Nein, aber – «
    »Warum essen Sie dann nicht hier auf Kosten des Hauses. Ich lad Sie ein.«
    »Oh, Mr Myers, das müssen Sie nicht.«
    »Nein, aber ich würde gerne. Ich wünschte, meine kleine Schwester wäre hier, um Sie kennen zu lernen. Täte ihr gut. Sie ist mit einem richtigen Scheißkerl verheiratet, der glaubt, Frauen können nichts. – Mögen Sie

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