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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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besser?«
    »Mir ist jetzt warm.«
    »Und dein Poncho ist trocken. Ich hab noch eine zweite Flieshose und lange Unterwäsche in meinem Rucksack.« Ich schaute auf die Uhr. »Es ist Viertel nach sieben. Der Regen hat nachgelassen. Ja, wir sollten es hinter uns bringen.«
    »Was hinter uns bringen?«
    »Ich bin ziemlich sicher, dass Beth Lancing hier irgendwo auf der Insel ist. Und Luther auch.«
    »O nein, Andrew. Lass das die Polizei regeln. Wir könnten sie anrufen, in – «
    »Und was ist mit mir? Ich werde gesucht.«
    »Natürlich, ich würde – «
    »Natürlich, was? Du erzählst ihnen, dass ich in Wirklichkeit unschuldig bin und – «
    »Nein, das würde ich nicht tun. Es würde keinen Unterschied machen, was ich – «
    »Und was dann?«
    »Du müsstest vor Gericht.«
    »Vor Gericht. Meinst du nicht, das hat mir gerade noch gefehlt?«
    »Du musst etwas tun. Möchtest du nicht irgendwann den ganzen Mist, den du durchgemacht hast, hinter dir lassen? Ruhe finden, auf die eine oder andere Art? Frieden mit dir schließen?«
    »Ich habe meinen Frieden bereits gefunden, Violet. Mein Haus steht weit weg in einer wunderschönen Wildnis. Ich bin dort so glücklich, wie ich überhaupt noch das Recht habe, glücklich zu sein. Es ist ein Paradies – «
    »Klingt in meinen Ohren ein bisschen nach Flucht vor der Wirklichkeit, Andrew.«
    »Nun, die Welt beziehungsweise die menschliche Natur ist es nach allem, was ich erlebt habe, durchaus wert, vor ihr zu fliehen. Aber ich erwarte nicht, dass du das verstehst.« Ich erhob mich. Schatten und Kerzenschein tanzten über Violets Gesicht, das einzig Warme in dieser Kirche. »Und abgesehen davon, was ist, wenn der ganze Mist bedeutet, dass ich ins Gefängnis wandere?«
    »Bist du unschuldig?«
    »Ich hab das Gefängnis nicht verdient.«
    »Woher weißt du, was du verdienst?«
    »Du bist ein naives kleines Mädchen«, erklärte ich. »Du glaubst, wenn man immer versucht, das Richtige zu tun, wird am Ende schon alles gut werden. Das glaubst du doch, oder?«
    »Man nennt das Hoffnung. Und was ist, wenn ich es glaube?«
    »Ich hoffe, du wirst nie mit solchen Entscheidungen konfrontiert, wie ich sie treffen musste. Bei denen man alles verliert, egal wie man sich entscheidet.«
    Ich nahm ihre .45er von der Bank und steckte sie in meinen Gürtel. Wir würden aufbrechen, sobald ich meinen Rucksack gepackt hatte.
    »Du brauchst diesen Optimismus«, meinte ich. »Er beschützt dich vor dem Grauenvollen, das du siehst. War das, was Luther den Worthingtons angetan hat, etwas anderes als pure Brutalität?«
    »Nein. Es war schrecklich.«
    »Hast du es dir da auch rosig ausgeschmückt?«
    »Wenn sie einen Glauben hatten, dann sind sie jetzt vermutlich im Himmel.«
    »Ich bin sicher, genau das hat Mr Worthington gedacht, als Luther Kite ihn abgeschlachtet hat. Junge, bin ich froh, so einen Glauben zu haben!« Ich schaute zu dem Holzkreuz an der Wand hinter dem Altar auf. »Bist du eine Christin?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Sag mir, wo ist Gott jetzt? Wo war Gott, als Luther die Familie umgebracht hat?«
    Sie starrte mich an, ihre nassen Augen glitzerten im Kerzenlicht.
    »Ich weiß es nicht.«

44. Kapitel
     
    Mond- und windlos brütete die Insel vor sich hin: kalt, dunkel, still. Nachdem wir den Rucksack in der Kirche gelassen hatten, folgten wir dem Pfad zurück zu dem alten Lebensmittelladen und wandten uns an der Kreuzung Richtung Süden, um auf den Pfad zu den Ruinen im Inneren der Insel zu kommen.
    Wir überquerten den Doctors Creek, kamen an einem verlassenen Schulhaus vorbei und betraten ein Dickicht aus immergrünen Eichen.
    Violet ging voraus.
    Die nassen Regensachen und unsere Schritte im Matsch verursachten die einzigen Geräusche.
    Der Pfad wurde enger.
    Wir schwiegen.
    Um uns herum hatte sich als Ausdruck ungehemmter Anarchie ein undurchdringliches Dickicht gebildet, Nässe tropfte auf uns herab, Zweige blieben an Armen und Beinen hängen. Ich konnte Violet kaum noch erkennen und sie kaum noch den Pfad vor sich. Ab und zu kam sie vom Pfad ins Gebüsch ab, seufzte und korrigierte ihre Richtung. Ich überlegte, ob ich zurückgehen sollte, um die Kopflampe zu holen, entschied mich aber dagegen. Wir hatten mindestens schon eine Viertelmeile zurückgelegt und laut Karte konnten die Ruinen nicht mehr weit sein.
    Während wir weiter ins Innere der Insel vordrangen und mein Blick beständig auf die Stiefelabsätze vor mir gerichtet waren, merkte ich, dass ich Violet vertraute und sie uns

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