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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Streifen von ihm, tauchte hinter zerrissenen Wolkenmassen auf.
    Gott, war es kalt in der klarer werdenden Nacht! Hier und da funkelte ein Stern auf, noch immer rannte sie geradewegs auf die schmale Dünenkette zu, ohne zu wissen, dass es sich um Dünen handelte. Sie wusste nicht, dass direkt dahinter das Meer begann und sie ein Watt überquerte. Als Festlandbewohnerin begann und endete ihr Wissen vom Meer an den Stränden von Myrtle Beach:
    Flügel.
    Meeresfrüchtebuffets.
    Rührselige Limonadenverkäufer.
    Doppeldecker, die Werbebanner über den strahlend blauen Himmel ziehen.
    Zusammen mit den trägen Massen am Strand liegen und für 25 Dollar pro Tag unterm Sonnenschirm Coronas mit einem Schuss Limonade schlürfen.
    Abends mit Max den Strand auf und ab laufen, wo der dunstige Schein der Hotelanlagen den Kurvenverlauf der Küste North Carolinas markiert. Die Essenz des Sommers. Immer in der letzten Juliwoche. Das war der Strand.
    Dies hier war die Wildnis. Von diesem Watt aus konnte man nicht einfach ins Hotel zurückgehen und fernsehen.
    Die Dünen waren jetzt sehr nah. Dünengras, Pappeln und Wermutsträucher gaben den Hügeln aus weißem, im Mondlicht unnatürlich leuchtendem Sand Halt.
    Sie kletterte auf eine der Dünen, dahinter lag das schimmernde, schäumende und sich in der abklingenden Flut zurückziehende Meer. Trotz allem, was sie in den vergangenen acht Stunden durchgemacht hatte, erschien ihr die winterliche Schönheit dieses weiten, verlassenen Strandes einfach umwerfend.
    Sie kletterte die Düne hinab zu dem von der Flut geglätteten und gehärteten Sand. Muschelschalen, Molukkenkrebse, Tang, zerbrochene Seeigelschalen und gräuliche Treibholzstücke lagen über den Strand verstreut, das Schlachtfeld des Nordoststurms.
    Der Wind wehte wie ein Dampfgebläse weißen über dunklen Sand und zwischen ihren Beinen hindurch. Das gleichmäßige Flüstern der aneinander reibenden Sandkörner übertönte sogar das Rauschen des Meeres.
    Vi erspähte im Norden ein Licht.
    Aus dieser Entfernung konnte sie sich nicht sicher sein, aber es schien vom Strand her zu kommen. Hundemüde begann sie auf das Licht zuzugehen, fing an zu laufen, dann mit tränenden Augen zu rennen, während bei jedem Schritt Muschelschalen unter ihren Stiefeln knirschten. Sie bezweifelte, noch lange weiterrennen zu können. Sollte das Licht nicht näher kommen, sollte es sich als das Licht des Leuchtturms von Ocracoke herausstellen, der viele Meilen weiter nördlich auf der anderen Seite der Meerenge lag, würde sie sich am Fuß einer Düne zusammenrollen und dort die Nacht über schlafen. Im Tageslicht würde alles besser aussehen. Weniger surreal.
    Das Licht, auf das sie zugerannt war, erlosch, aber sie konnte erkennen, woher es gekommen war.
    Ein Stückchen weiter den Strand hinauf, dort im weichen Sand, wo die Flut nicht hinkam, flatterte ein weißes Stoffzelt im Wind.

47. Kapitel
     
    Als Vi sich dem Zelt näherte, hörte sie Stimmen. Ein mit einem kleinen Außenbordmotor ausgestatteter Boston Whaler war den Strand hinaufgezogen worden. Knapp fünfzig Meter vom Ufer entfernt schwamm eine Yacht auf dem ruhigen Meer hinter den Brechern.
    Sie blieb vor dem Zelt stehen und lauschte. Der Reißverschluss eines Schlafsacks wurde aufgezogen.
    Eine Männerstimme: »Ich hab den Eimer hinter deinen Kopf gestellt. Warum versuchst du nicht, ihn noch mal zu benutzen, bevor du – «
    »Mir geht’s gut. Ich musste nur von diesem Boot runter. O Gott-!«
    Würgende Geräusche und Flüssigkeit, die gegen den Eimer plätschert.
    »Himmel, Gloria!«
    Noch mehr würgende und plätschernde Geräusche. Die Frau stöhnte.
    »Ich werde den Eimer ausleeren.«
    Vi trat zurück, als der Reißverschluss der Zeltöffnung aufgezogen wurde. Ein weißes Haarbüschel tauchte auf und ein älterer Mann mit einem roten Eimer in der Hand kam rückwärts aus dem Zelt.
    »Sir?«
    Der Mann wirbelte mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen herum.
    »O Himmel, o mein Gott, haben Sie mich erschreckt!«
    »Alles in Ordnung, Sir. Ich bin Polizistin.«
    »Sam, wer ist da draußen?«
    »Bleib einfach liegen, Gloria.«
    »Wer ist da?«
    »Himmel, Gloria! Ich sagte, bleib liegen!«
    Vi trat einen Schritt nach vorn. Der Mann band sich seinen Mantel zu.
    »Sir, mein Name ist Violet King. Ich bin Detective beim Davidson Police Department, North Carolina. Haben Sie ein Handy, das ich benutzen könnte?«
    »Was tun Sie hier?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Ich müsste dringend

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