Blutzeichen
telefonieren, es handelt sich um – «
»Hier gibt’s kein Netz. Ich habe es schon den ganzen Abend über versucht.«
»Ist das Ihr Boot?«
»Ja, warum?«
Vi schaute auf die Yacht im Wasser.
»Sir, Sie müssen mich nach Ocracoke bringen.«
»Wie?«
»Wenn dies hier eine Straße wäre, würde ich Ihren Lexus konfiszieren. Tut mir Leid, dies ist ein Notfall.«
Wieder ertönte die Stimme aus dem Zelt: »Sam, was geht da draußen vor?«
»Nur eine Minute, Gloria! Himmel!« Sam fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ma’am, wir sind gerade erst hier angekommen. Wir wollen uns gerade schlafen legen. Meine Frau war aufgrund der aufgewühlten See die letzten zwölf Stunden seekrank. Ich meine, sie war grün, hat sich alle fünf Minuten die Seele aus dem Leib gekotzt.«
»Das verstehe ich, aber – «
»Wir segeln von Jacksonville nach Norfolk. Wir können Sie gleich morgen früh absetzen.«
»Ich hätte schon vor einer Stunde dort sein müssen.«
»Haben Sie eine Dienstmarke?«
»Die Nummer meiner Marke ist sechs-null-neun-zwei. Ich kann sie Ihnen leider nicht – «
»Sie haben keine Marke. Woher weiß ich, dass Sie eine Polizistin sind?«
Vi trat einen Schritt zurück, setzte sich in den Sand und legte den Kopf zwischen die Knie. Sie hätte in wenigen Sekunden einschlafen können.
»Sir, Sie wissen nicht, was für einen Tag ich hinter mir habe.«
»Und Sie wissen nicht, worum Sie mich da bitten. Sie wollen, dass ich Sie mitten in der Nacht nach Ocracoke bringe? Über den seichten Sund? Verstehen Sie doch, wir sind hier nur so weit reingefahren, um Gloria an Land zu bringen.«
»Ihre Frau kann hier bleiben, das ist mir egal, aber Sie werden mich jetzt sofort nach Ocracoke bringen! Das ist keine Bitte, sondern ein Befehl.«
»Ist hier auf der Insel irgendwas passiert?«
»Darüber kann ich nichts sagen. Sie sollen nur – «
»Sie müssen mir schon ein bisschen was erzählen, Schätzchen.«
»Gut, in Ordnung. Andrew Thomas – schon mal von ihm gehört?, der Serienmörder? – befindet sich gerade auf der Insel. Ich brauche Verstärkung. Ich brauche – «
»O Himmel!«
Sam schaute auf seinen Eimer herab.
Er ging auf die Dünen zu und kippte das Erbrochene in den Sand.
Als er zurückkam, sagt er: »Sie sind hoffentlich wirklich die, für die Sie sich ausgeben. Ich habe ein Drittel meiner Rente für diese Yacht ausgegeben, und wenn die jetzt wegen Ihnen in den Untiefen des Sunds hier auf Grund läuft, wird der Staat North Carolina sie mir ersetzen müssen. Das kann ich Ihnen verflucht noch mal garantieren!« Er drehte sich um und steckte den Kopf ins Zelt. »Zieh dich an, Gloria. Wir müssen wieder raus aufs Schiff.«
»Du willst mich wohl verarschen.«
48. Kapitel
Wir saßen aneinander gekauert in der Ecke. In der Hütte war es vollkommen dunkel.
»Er hat was in den Wasserkrug getan, nicht wahr?«, fragte Beth.
»Ich glaube schon. O Mann, wenn ich jetzt nicht aufstehe, werde ich direkt ohnmächtig!«
Ich kämpfte mich auf die Füße und umklammerte dabei krampfhaft Violets .45er.
Vor meinen Augen drehte sich alles.
»Ich kann nicht mehr lange wach bleiben«, flüsterte Beth.
Ich ging schwankend zu dem zerbrochenen Fenster und schaute vorsichtig hinaus in den Wald.
Die Eichen schimmerten im Mondlicht, die knorrigen Äste bläulich glänzend. Das Dünengras um die Hütte stand reglos, als wäre es eingefroren.
Trotz meiner Benommenheit musste ich wieder an Violet denken, fragte mich, wo er sie wohl zurückgelassen hatte, und hoffte, dass es wenigstens schnell gegangen war.
Ich fühlte mich jetzt völlig benebelt.
Beth flüsterte meinen Namen und es klang wie: »Anananandydydydy.«
Als ich meinen Kopf drehte, schien die Dunkelheit zu verschwimmen.
Sie saß zusammengesunken und reglos in der Ecke.
»Anananandydydy.«
Plötzlich wurde mir bewusst, dass Beth ohnmächtig war.
Die Stimme gehörte einem Mann und kam von irgendwo draußen.
Ich sah wieder aus dem Fenster.
Am Rande des Dickichts tauchte ein Schatten auf, das blasse Gesicht leuchtete in der Dunkelheit wie ein Mond.
Luther.
Er kam aus dem Wald hervor und ging auf die Hütte zu.
Ich zielte mit der .45er durch das Fenster, bis ich bemerkte, dass meine Hände leer waren.
Die Waffe lag zu meinen Füßen.
Als ich mich danach bückte, gaben meine Beine nach.
Ich torkelte rückwärts.
Fiel gegen den Tisch.
Teller zerbrachen.
Ich lag auf dem Rücken.
Schritte auf der Treppe.
Mein Bewusstsein schwand.
Die Tür
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