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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Sie rührte sich nicht von der Stelle, aus Angst, die Kette könnte gegen den Stein klopfen oder sie könnten ihre Schritte hören. Sie überlegte, ob die Dunkelheit wohl ausreichte, sie unsichtbar zu machen, sollte einer von ihnen zurück in ihre Richtung blicken.
    Der junge Mann, der alte Mann und die alte Frau gingen mit einer Laterne den Gang entlang, der von ihr wegführte.
    Der junge Mann trug ein Gewehr.
    Wieder hallte das Dingdong durch die Dunkelheit.
    Im orangefarbenen Schein der Laterne sah Beth, wie sie um eine Kurve gingen und verschwanden. Sie dachte, sie seien in einen anderen Gang eingebogen, bis sie ihre Schritte wieder hören konnte.
    Sie gehen die Treppe hinauf.
    In der Gewissheit, dass sie einen Weg nach draußen gefunden hatte, schlich sie hinterher.

58. Kapitel
     
    Rufus ging allein zur Tür und hatte dazu ein breites, zahnloses Lächeln aufgesetzt, das ihm auch beim Anblick der Polizeimarke nicht verging. Zwei Männer standen auf dem oberen Absatz der Freitreppe und sahen ihn an. Die Sonne spiegelte sich in ihren Augen, kurz bevor sie hinter dem Haus verschwinden und als Lichtpfütze mit dem Pamlico Sound verschmelzen würde.
    Der Mann mit der Marke war ein Bär von einem Kerl und hätte seinen JC-Penney’s-Anzug schon vor Jahren der Heilsarmee vermachen sollen. Sein Haar war grau meliert, der Schnurrbart so dunkel und dick wie Pferdehaar. Der Mann mit dem Lockenkopf, der hinter dem Polizisten stand, schien höchstens halb so alt – Mitte zwanzig, groß und schlank –, trug Jeans und ein Nadelstreifenhemd und blickte drein wie ein geprügelter Hund.
    Der Polizist ließ seine Brieftasche wieder in die Tasche gleiten und sagte: »Mr Kite, mein Name ist Barry Mullins. Ich bin Sergeant vom Davidson Police Department, North Carolina. Könnte ich kurz hereinkommen?«
    »Natürlich.«
    Rufus machte die Tür weit auf und trat zurück.
    Sergeant Mullins flüsterte seinem Begleiter zu: »Max, bitte geh zurück und warte im Wagen. Es wäre viel – «
    Max ging ins Haus.
    Sergeant Mullins runzelte die Stirn und folgte ihm.
    Rufus schloss die Tür, worauf die drei Männer in der schwach erleuchteten Eingangshalle des absolut stillen Hauses standen.
    »Kann ich Ihnen ein Glas Eistee anbieten?«, fragte Rufus.
    Sergeant Mullins schüttelte den Kopf.
    »Ist Ihre Frau zu Hause, Sir?«
    »Nein, sie macht gerade eine kurze Besorgung.«
    Sergeant Mullins wies mit dem Kopf in Richtung des langen Wohnzimmers.
    »Lassen Sie uns für einen Moment Platz nehmen, Mr Kite.«
     
    Beth blieb auf dem Weg zur Treppe kurz stehen und schaute in den Raum, in dem die Kites gehämmert, geklopft und gesägt hatten. Auf dem Boden lag Werkzeug verstreut. Das Licht der nackten Glühbirne brannte in ihren Augen. Sie hing genau über dem Ding, das dieses ganze Tohuwabohu verursacht haben musste – einem groben, beinah fertigen Stuhl, dessen Armstützen und Beine mit Kupferblech verkleidet waren, der überall Lederschlingen hatte und neben dem ein dicker, zusammengerollter Kupferdraht auf dem Boden lag. Das Ding strahlte eine ungeheure Präsenz aus. So wie die Architektur einer Kathedrale Feierlichkeit und Frieden vermittelt, so strahlte dieses grobschlächtige, plumpe, männliche Design pure Bosheit aus.
    Beth schüttelte ihren Ekel ab und ging weiter. Vor sich konnte sie sehen, wie sich der Gang zu einem größeren Raum hin öffnete. Einer der Kites hatte die Kerosinlaterne in einer Ecke nutzlos hängen lassen, sodass sie am Fuße der Treppe den unbehandelten Boden und die Steinmauern beleuchtete.
    Sie trat aus dem Gang heraus.
    Sie rieb sich über die Gänsehaut auf ihren nackten Armen.
    Die Treppe führte aus der Dunkelheit heraus.
    Beth starrte nach oben, konnte aber nicht sehen, wo sie endete.
    Sie wickelte sich die Kette um das Handgelenk, damit sie nicht hin und her baumelte, und begann die Stufen hinaufzugehen. Die Treppe knarzte so laut, dass sie die leisen Schritte der alten Frau nicht hörte, die aus den Schatten hinter ihr hervortrat.
     
    Sergeant Mullins ließ sich auf demselben Schemel nieder, auf dem vor sechs Tagen Detective Violet King bei ihrem ersten Besuch gesessen hatte.
    Der alte Mann machte es sich auf dem ausgeblichenen Sofa bequem und fuhr sich mit den Fingern durch die weißen Haare.
    Max King stellte sich an den kalten Kamin.
    »Mr. Kite«, sagte Sergeant Mullins, beugte sich nach vorn und stützte die Unterarme auf den Knien ab.
    »Vor einer Woche habe ich Detective King nach Ocracoke geschickt, um

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