Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boardwalk Empire

Boardwalk Empire

Titel: Boardwalk Empire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Johnson
Vom Netzwerk:
Camden gelenkt. Sewell war ein irischer Immigrant, der als General in der Unionsarmee gedient und in den Schlachten von Gettysburg und bei Chancellorsville gekämpft hatte. Nach dem Krieg ging er in die Politik und war neun Jahre lang Senator von New Jersey, bevor er 1880 in den Senatsvorsitz gewählt wurde. Im folgenden Jahr schaffte er es in den US-Senat, wo er zwei Amtsperioden erlebte. Dank seiner Verdienste und seiner Durchsetzungsfähigkeit wurde er als Vorsitzender der Republikanischen Partei zu einem der wichtigsten Entscheidungsträger der Region. Solange Sewell im Amt war, gab es keine Demokraten in Süd-NewJersey, eine Erfahrung, die schon Pitney hatte machen müssen.
    Dem Kommodore genügte es nicht Atlantic City zu kontrollieren, er wollte seinen Einfluss auf die Republikanische Partei von New Jersey ausweiten. Um das zu erreichen, musste er große Wahlerfolge bei den Präsidentschaftswahlen erzielen. Ein Schlüssel hierzu war die Manipulation der afroamerikanischen Wählerschaft in Atlantic City. Von Lincoln bis Roosevelt hatte die überwiegende Mehrheit der Schwarzen die Republikaner gewählt, die Partei des Sklavenbefreiers Lincoln. Diese große Wählergruppe mit ihrem vorhersehbaren Abstimmungsverhalten verleibte sich Kuehnle auf seinem Weg zur Macht geschickt ein und beutete sie um jede einzelne Stimme aus. Vordergründig machte der Kommodore sich beliebt, indem er sich während der Wintermonate um das Wohl der arbeitslosen Schwarzen kümmerte. Er ließ in der wirtschaftlich schwachen Nebensaison kostenlos Essen, Kleider und Kohle auf der Northside verteilen und sorgte für medizinische Versorgung. Im Gegenzug forderte er die Hoteliers und Pensionsbetreiber auf, ihre schwarzen Angestellten allesamt zur Wahl anzumelden. Wer sich weigerte, wurde so lange bedrängt, bis er sich registrierte. Am Wahltag marschierten Kuehnles Parteisoldaten dann in der Northside ein und scheuchten die afroamerikanischen Wähler aus ihren Häusern. In Gruppen zu jeweils zwanzig Stimmberechtigten wurden sie von einem Wahlkreis zum anderen kutschiert, wo sie jedes Mal ihre Stimmen abgaben. Pro Stimmzettel erhielten sie zwei Dollar. Eine nationale Illustrierte bezeichnete dies als »den dreistesten Wahlbetrug in der Geschichte des Landes« 46 .
    Die Republikanischen Wahlhelfer standen vor den Wahllokalen, ihre Taschen mit Zwei-Dollar-Noten vollgestopft. Sie führten eine Liste mit verstorbenen und erfundenen Wahlberechtigten, die in der Kartei aufgeführt waren. Bevor man in die Wahlkabine ging, erhielt man einen Namen, einen vorausgefüllten Wahlzettel und ein Durchschlagpapier.
    »Hier ist deine Name und deine Adresse, und vergiss in Gottes Namen nicht, wo du wohnst!« Der Wähler kreuzte den Stimmzettel durch das Durchschlagpapier an, sodass seine Kreuzchen auf dem Vordruck zu sehen waren. Draußen bekam er seine zwei Dollar, sofern er sein Kreuz an der richtigen Stelle gemacht hatte. Wollte jemand ein zweites Mal im selben Lokal seine Stimme abgeben, wartete er einfach kurz und lieh sich dann von jemand Hut und Mantel aus, bevor er einen neuen Namen zugewiesen bekam.
    Dennoch verhinderte die verhältnismäßig geringe Einwohnerzahl Atlantic Citys, dass Kuehnles Wahlmaschine einen allzu großen Einfluss auf die Gesamtwahlen im Bundesstaat New Jersey hatte. Aber zumindest bei den Wahlen der Kandidaten der Republikaner, den Primaries, gab sein Wahlkreis hin und wieder den Ausschlag. Kuehnles Geschick bei der Mehrheitsbeschaffung wurde trotz seiner Methoden von der Partei hochgeschätzt. Und so wurde Kuehnle von jedem Republikaner, der sich Hoffnungen auf ein höheres Amt machte, hofiert. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war der politische Apparat Atlantic Citys ein entscheidender Faktor in der politischen Landschaft New Jerseys. Egal, ob man Gouverneur, Senator oder Kongressabgeordneter werden wollte, Atlantic City und Kuehnle hatten ein Wörtchen mitzureden. Aber nicht alle waren ihm bedingungslos ergeben.
    Es gab eine kleine, aber lautstarke Gegenbewegung, die aus Betreibern familienfreundlicher Unternehmen auf dem Boardwalk bestand. Einige der großen Hotelbesitzer, wie z . B. die Whites aus dem Marlborough-Blenheim, stammten aus Philadelphia und besaßen einen Quäker-Hintergrund. Sie wandten sich gegen Kuehnle, weil sie Atlantic City in einen Urlaubsort für die Mittelklasse umwandeln wollten, der »Schnaps, Bräute und Glücksspiel« nicht nötig hatte. Manche träumten sogar noch von einem exklusiven

Weitere Kostenlose Bücher