Boardwalk Empire
mit ihnen die Straße entlang und steckte ihnen Geld zu. Ich hab ihn das immer wieder tun sehen.«
Man stellte fest, dass insgesamt 3000 gefälschte Stimmen in Atlantic City abgegeben worden waren, aber die Angelegenheit war damit nicht erledigt. Zwei demokratische Kandidaten, die in ihrem Bezirk gegen den Wahlbetrug protestieren wollten, hatte man Brechmittel ins Trinkwasser gemischt, und damit war für sie der Wahltag gelaufen. Und es ging noch weiter: Am Wahltag schrieben sich nicht nur zahlreiche Neuwähler ein, die Urnen wurden vor der Öffentlichkeit versteckt, und wer sich darüber beschwerte, wurde von der Polizei mit Gewalt aus den Wahllokalen entfernt.
Kuehnles Praktiken der Neuregistrierung fiktiver Wahlberechtiger in den Hotels der Stadt nannte man auch das »Ansiedeln von Stimmen«. Der Wahlbetrug war so umfangreich und gut organisiert, dass er ohne die enge Zusammenarbeit mit Hotelbesitzern und Geschäftsleuten nicht hätte funktionieren können. Zahlreiche Saisonarbeiter aus den Hotels, Shops, Restaurants und Spielhallen gaben Atlantic City als Hauptwohnsitz an und reisten am Wahltag von außerhalb an, um ihre Stimme abzugeben. Den meisten bezahlte man sogar das Zugticket, damit sie für Vivian Lewis stimmten.
Auch der Kommodore selbst musste vor dem Ausschuss aussagen und wurde zu dem »aufgeblähten Wahlkreis« befragt. Kuehnle sagte, er habe seinen Mitarbeitern mitgeteilt, er wolle keine Auffüllung der Listen, sie verfügten ohnehin über genug Stimmen, um die Wahl zu gewinnen. Die Macksey-Kommission konnte den großflächigen Wahlbetrug dennoch beweisen.
Wilsons nächster Schritt war, die Ergebnisse des Ausschusses in Anklageschriften einfließen zu lassen. Das war nicht einfach, denn selbst wenn eine Anklage zustande kam, war damit noch lange kein Schuldspruch erreicht. Kuehnle konnte sich nicht zuletzt auf seine Verbündeten im Justizapparat verlassen, die den Prozess torpedieren konnten. Als Wilson klar wurde, dass sogar Bezirksstaatsanwalt Clarence Goldenberg zu Kuehnles Seilschaft gehörte, erbat er sich vom Parlament eine Sonderregelung, die es dem Generalstaatsanwalt erlaubte, den örtlichen Staatsanwalt zu ersetzen, um selbst vor Ort Ermittlungen durchzuführen. Das Parlament von New Jersey kam Wilsons Wunsch nach, und schließlich erhob Generalstaatsanwalt Edmund Wilson Anklage. Doch es gab noch ein Hindernis: Das Amt des Sheriffs wurde mittlerweile von Enoch Johnson, dem Sohn von Smith Johnson, ausgeübt. Von seinem Vater hatte Enoch gelernt, wie man eine Grand Jury zusammenstellt, und seine würde garantiert keinen Politiker aus Atlantic City anklagen.
Die ersten Beweise der Macksey-Kommission wurden der Grand Jury und Richter Thomas Trenchard präsentiert, der ein Angehöriger von Kuehnles Organisation war. Nach der Anhörung beriet sich die Grand Jury und kam zu dem Ergebnis, dass kein Grund für eine Anklage vorlag. Gouverneur Wilson war außer sich und versuchte, sowohl Sheriff Johnson als auch Richter Trenchard auszuwechseln. Er nutzte eine Gesetzeslücke, um Samuel Kalish, einen unabhängigen, wohlhabenden und hoch angesehenen Richter aus Mercer County, einzusetzen. Kalish wies den Sheriff an, eine neue Grand Jury zu ernennen und sie ihm vorzuführen, damit er sie unter Strafandrohung an die Erfüllung ihrer Pflicht erinnern konnte. Als die Geschworenen eintrafen, fiel Edmund Wilson auf, dass einer von ihnen Thomas Bowman war, dem von der Macksey-Kommission Wahlbetrug vorgeworfen worden war. Richter Kalish entließ daraufhin sämtliche Mitglieder der Grand Jury.
Gegen den Protest von Enoch Johnson konnte Kalish einen Ausschuss bilden, der eine unabhängige Jury bestimmte. Es handelte sich dabei um eine Gruppe von 23 Personen, bestehend aus Republikanern, Demokraten, Unabhängigen und Prohibitionsbefürwortern. Dem Kommodore waren die Hände gebunden, denn ohne Sheriff Johnson und seine handverlesenen Geschworenen war die Strafverfolgung nicht mehr aufzuhalten.
Die neuen Geschworenen erhoben in 120 Fällen Anklage, darunter gegen etliche Regierungsbeamte und republikanische Politiker von Atlantic City: Louis Kuehnle, Sheriff Enoch Johnson, Bürgermeister George Carmany, Stadtrat Henry Holte, Stadtschreiber Louis Donnelly, Bauaufsichtsleiter Al Gillison, Gesundheitsinspektor Theodore Voelme und den Präsident der Elektrizitätswerke Lyman Byers, um nur die wichtigsten zu nennen. Ihnen allen wurde Wahlbetrug vorgeworfen, aber es war naiv von Bundesstaatsanwalt Wilson zu
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