Boardwalk Empire
Einfluss auf weit mehr als nur Schutzgeldererpressung. 45 Die Geschäftsleute lagen ihm förmlich zu Füßen und unterstützten ihn nach Kräften beim Aufbau der Stadt. Kuehnles liebste Slogans lauteten: »A bigger and better Atlantic City« und »Boost, don’t knock« (sinngemäß: »Frag nicht, tu’s einfach!«). Er sorgte dafür, dass das Wohl der Republikanischen Partei gleichbedeutend war mit dem Gemeinwohl der Stadt. Jeder, der den Kommodore oder die Partei kritisierte, war auch gegen die Stadt.
Die Hotelbetreiber und Händler auf dem Boardwalk wollten von irgendwelchen Korruptionsvorwürfen nichts hören. »Das schadet der Stadt, das macht die Saison kaputt«, denn eine erfolgreiche Hauptsaison war ihnen das Wichtigste. Der Tourismus war das einzige Gewerbe der Stadt und die Zufriedenheit der Kundschaft die Maxime. Kein Reformer sollte da hineinpfuschen.
Dem Kommodore war klar, dass den Geschäftsleuten von Atlantic City ein profitables Sommergeschäft wichtiger war als eine rechtschaffene Regierung, und er handelte danach. Er bewahrte die Unternehmer vor der Strafverfolgung und baute das Tourismusgeschäft zügig aus. Kein Wunder, dass man ihn gewähren ließ.
Unter Louis Kuehnle wurde aus dem kleinen Seebad eine moderne Stadt. Er begriff, dass man in öffentliche Einrichtungen investieren musste, wenn man als beliebtes Ausflugsziel weiter wachsen wollte. Seiner Meinung nach brauchte die Stadt vor allem eine größere und dauerhafte Promenade, also ließ er einen neuen Boardwalk aus Stahlträgern und riesigen Betonpfeilern bauen. Weil ein einziges Telekommunikationsunternehmen von den Fernsprechern der Stadt profitierte, brach Kuehnle dessen Monopol auf, indem er eine eigene Telefongesellschaft gründete, die später von einer dritten Gesellschaft mit günstigeren Tarifen übernommen wurde. Das elektrische Licht in der Stadt war mangelhaft und überteuert, also unterstützte Kuehnle einen Zweitanbieter, und die Preise gingen nach unten. Normalerweise kostete eine Gaseinheit 1,25 Dollar, aber Kuehnle fand eine Gasgesellschaft, die den Tarif auf neunzig Cent senkte. Das Straßenbahnsystem war ein einziges Chaos, also gründete Kuehnle die Central Passenger Railway Company und verkaufte sie an die Atlantic City and Shore Company , die erstklassige Beförderungsmöglichkeiten bot. Er wusste auch, wie wichtig eine sichere Trinkwasserversorgung für die Insel war. In weiser Voraussicht erwarb er große Grundstücke auf dem Festland, auf denen er Brunnenanlagen zur Trinkwasserförderung für Atlantic City errichten ließ. Unter seiner Ägide entstand auch das erste fortschrittliche Abwassersystem der Stadt. Und es war auch der Kommodore, der die Straßen teeren ließ, um die ständig auftauchenden Schlammlöcher verschwinden zu lassen und saubere Straßen und Alleen anzulegen. Kuehnle komplettierte die Infrastruktur, die man für eine moderne Stadt benötigte. Natürlich war er korrupt, aber er bediente die Hebel der Macht, um seine Zukunftsvision für die Stadt zu verwirklichen.
Atlantic City wurde immer reicher, genau wie der Kommodore. Er konnte die von ihm gegründeten Firmen teuer verkaufen, denn die Käufer wussten, dass sie von der Stadt Aufträge und Konzessionen erhielten. Kuehnle war unter anderem Mitbesitzer der städtischen Brauerei, die auch das beliebteste Bier der Region herstellte. Wenn ein Barbetreiber eine neue Schanklizenz benötigte, aber nicht für den Bierverkauf am Sonntag belangt werden wollte, wusste er, welches Bier er anbieten musste. Allein damit machte Kuehnle ein Vermögen.
Sein Machtapparat stützte sich jedoch nicht nur auf Geld. Als Bezirksvorsitzender der Republikanischen Partei konnte er Staatsanwälte und Richter ernennen. Zusammen mit dem Büro des Sheriffs legte Kuehnle so ein Netzwerk an, das seine Organisation aus dem bestehenden Rechtssystem heraushob. Der Sheriff bestimmte die Mitglieder der Grand Jury, und die erhoben natürlich keine Anklage gegen Kuehnles Gefolgsleute.
Solange der Kommodore an der Macht war, gab es keine Opposition. Die Einwohner von Atlantic City machten über sechzig Prozent der Provinz Atlantic aus, und der Rest bestand entweder aus Menschen, die vom Tourismus der Stadt abhängig waren, oder aus Farmern, die aus Tradition republikanisch wählten. Die Dominanz der Republikaner war typisch für den Süden New Jerseys zu dieser Zeit. Seit über dreißig Jahren wurde das Politgeschäft der südlichen Provinzen von Senator William J. Sewell aus
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