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Boardwalk Empire

Boardwalk Empire

Titel: Boardwalk Empire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelson Johnson
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Luxus-Badeort wie einst Pitney. Sie fanden, dass Kuehnle zu weit gegangen war. Sie wollten die Stadt läutern, und obwohl sie in der Minderheit waren, sorgten sie regelmäßig für Ärger. Ihr Sprachorgan war die Atlantic City Review und ihr Redakteur Harvey Thomas. Thomas war als erprobter Skandalreporter von einer Clique reicher Hoteliers in die Stadt geholt worden, die Kuehnle ablehnten und ihn entthronen wollten.
    Es gab einen deutlichen Klassenunterschied zwischen den reichen Hotelbesitzern auf dem Boardwalk und den kleineren Hotels und Pensionen im Rest der Stadt. Die Hotels auf dem Boardwalk sahen sich als Gastgeber der gehobenen Gesellschaft, »Schnaps, Bräute und Glücksspiel« waren ein Affront für sie und ihre Kundschaft. Das Rückgrat des Tourismus blieben jedoch die Arbeiter in den Pensionen und Gasthäusern. Die Pensionsbetreiber waren deshalb auf Kuehnles Seite, während die reichen Hoteliers in ihm einen machthungrigen Tyrannen sahen.
    Die Gouverneurswahlen 1910 sollten sich als wegweisend für Kuehnle und New Jersey erweisen. Der republikanische Kandidat hieß Vivian Lewis und war der Favorit des Kommodore. Die Republikaner von Atlantic County unterstützten ihn von Anfang an, denn Kuehnle war mit Lewis befreundet und wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte. Lewis’ Gegenkandidat war der Reformer und Akademiker Woodrow Wilson, der in seinem Wahlprogramm versprach, jegliche Form von Korruption im gesamten Regierungsapparat auszumerzen.
    Woodrow Wilsons Vorfahren waren allesamt presbyterianische Priester. Ein religiöser Hintergrund war für Politiker damals nichts Ungewöhnliches, aber Wilson war ein Kreuzritter, ein fanatischer Prinzipienreiter, der die Dinge ausschließlich in Gut und Böse unterteilte. Als Visionär und Idealist ließ er keinerlei Sentimentalität zu und entschuldigte niemanden, der nicht dieselben hohen moralischen Maßstäbe an sich anlegte.
    Als Wilson die politische Bühne New Jerseys betrat, war der Bundesstaat ein Paradebeispiel für die Zustände, welche die Reformer anprangerten. Oder wie ein Beobachter schrieb: »Die Herrschaft der Wirtschaft über die Politik steht in voller Blüte.« 47 Der Bundesstaat wurde von einer Oligarchie regiert, die sich aus Industrieführern und den Vertretern der Eisenbahngesellschaften zusammensetzte. Republikaner und Demokraten hatten gemeinsam ermöglicht, dass diese Interessengruppen zur bestimmenden Kraft im Bundesstaat wurden. Bei der Mehrheit der Bevölkerung herrschte eine tief sitzende Abneigung gegen die großen Unternehmen und die Privilegien, die ihnen von der Regierung eingeräumt wurden. Es gab progressive Politiker in beiden Parteien, aber die meisten waren Handlanger der Industrie. Im Jahr 1910 war den Parteiführern allerdings bewusst, dass die Öffentlichkeit bereit für einen Reformer als Gouverneur war. Vor allem die Demokraten waren verzweifelt auf der Suche nach einem Kandidaten, der dem landesweiten Wunsch nach Veränderung entgegenkam.
    Woodrow Wilson war zur rechten Zeit am rechten Ort. Er war aus Virginia nach New Jersey gekommen, um Präsident der Princeton University zu werden. Seine Vita als Südstaatler und Priestersohn passten gut zur Abneigung gegenüber der vorherrschenden Klientelpolitik, die vor allem von den gebildeten Schichten des Nordens abgelehnt wurde. Wilson war ein Politwissenschaftler und anerkannter Autor. Sein Buch »Congressional Government« (1885) stieß damals landesweit auf großes Interesse und gilt heute als Klassiker der amerikanischen Politikwissenschaft. Zudem war Wilson ein ausgezeichneter Redner und nutzte dieses Talent zum Nutzen seiner Universität. In der Geschichte der Vereinigten Staaten hatte nie ein Präsident einer Universität für so viel Aufmerksamkeit gesorgt.
    Wilsons Amtszeit als Leiter der Princeton-Universität verschaffte ihm eine Kanzel, von der aus er sich in den politischen Alltag einmischte. Kurz nach der Wahl von 1904 positionierte er sich als Wortführer der konservativen Demokraten, die in Opposition zu William Jennings Bryan standen. 1906 erhielt er zahlreiche Stimmen als Minderheitskandidat der Demokraten für den US-Senat. Ihm wurden sogar Außenseiter-Chancen auf das Präsidenten- oder Vizepräsidentenamt 1908 eingeräumt. Als Sprecher der Anti-Bryan-Demokraten wurden etliche Wallstreet-Finanziers und Politiker auf ihn aufmerksam und förderten ihn als möglichen Präsidentschaftskandidat. Bekannte Journalisten wie George Harvey ( Harper’s Weekly

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