Boardwalk Empire
Armen der Stadt über den Winter Kleidung und Essen sowie Weihnachtsgeschenke erhielten. Seine Stellvertreter Emmanual Shaner und Louis Donelly ließen Tausende von Geschenkpaketen auf der Northside verteilen.
Der Kommodore saß seine Strafe ohne Murren ab. Nach seiner Entlassung verbrachte er einen längeren Urlaub auf den Bermudas und reiste dann nach Deutschland, in die Heimat seiner Eltern. Fast ein Jahr später kehrte er entspannt und sonnengebräunt nach Atlantic City zurück und wurde herzlich, aber im kleinen Rahmen von seinen Freunden empfangen. Sehr schnell merkte er, wie sehr sich die Dinge in seiner Abwesenheit verändert hatten. Enoch »Nucky« Johnson war jetzt Chef der Republikanischen Partei von Atlantic City. Kuehnle kannte Nucky als Sohn des ehemaligen Polizeichefs Smith Johnson. Nach dessen Tod hatte er sich mit Nucky angefreundet und vertraute ihm, wie er zuvor seinem Vater vertraut hatte. Nach seinem Freispruch im Wahlbetrugs-Verfahren hatten viele in Nucky bereits Kuehnles Nachfolger gesehen. Nach Kuehnles Rückkehr kam es zwar zu vereinzelten Scharmützeln zwischen ihm und Nucky, aber es war klar, wer mittlerweile Boss war. Man einigte sich darauf, dass Nucky Johnson den Kommodore bei seiner Kandidatur für einen Sitz im Stadtrat unterstützte.
Kuehnle wurde im Jahr 1920 zum City Commissioner ernannt, und alle vier Jahre wiedergewählt, bis er 1934 starb. Wenig später benannte man eine Straße nach ihm. Kuehnle hatte sich stets der unerschütterlichen Zuneigung seiner Bürger sicher sein können, aber jetzt war Nucky am Zug und ließ den Kommodore im Vergleich wie einen Waisenknaben aussehen.
35 Philadelphia Bulletin, 2. August 1890.
36 Philadelphia Bulletin, 10. August 1890.
37 Informationen (und folgende) über Philadelphias Wandel zur Industriestadt aus: Weigley, R . F.: Philadelphia: A 300 Year History. W . W. Nortin & Company 1981.
38 Aus einem Interview mit Murray Fredericks.
39 Philadelphia Bulletin, 7. August 1890.
40 Aus einem Interview mit Richard Jackson.
41 Philadelphia Bulletin, 13. August 1908.
42 Philadelphia Bulletin, 8. September 1908.
43 Ebenda.
44 Philadelphia Bulletin, 8. September 1908.
45 Die folgenden Informationen sind hauptsächlich der Zeitschrift Literary Digest entnommen: The Rise and Fall of Kuehnle. Literary Digest, 27. Dezember 1913.
46 The Rise and Fall of Kuehnle. Literary Digest, 27. Dezember 1913.
47 Hirst, David W.: Woodrow Wilson, Reform Governor. D. Van Nostrand Company.
48 Vgl. The Rise and Fall of Kuehnle. Literary Digest, 27. Dezember 1913.
5
Nuckys goldenes Zeitalter
Joe Hamilton musste einspringen. Es kam nicht oft vor, dass Louis Kessel nicht in der Stadt war, aber wenn, dann fuhr Joe den Boss. Heute Nacht waren seine Stationen ein Baseballspiel, ein Leichenschmaus, ein Treffen der Republikaner und ein Abendessen im Babette’s .
Nach ein paar Innings beim Baseball ging es bereits weiter. Als Joe mit der Limousine vorfuhr, hatte der Boss eine junge Frau im Schlepptau. Nucky verlangte, dass er kurz aus der Stadt rausfuhr, bevor es zum Leichenschmaus ging. Den Rest erzählt Hamilton besser selbst:
»Ich fahre also so und unterhalte mich mit Mr. Johnson, der eine kleine Süße neben sich sitzen hat. Im nächsten Moment hat sie ihren Kopf in seinem Schoß und Mr. Johnson ein breites Grinsen auf dem Gesicht.« 49
Der Boss ließ eben keine Gelegenheit aus, die Arbeit mit dem Vergnügen zu verbinden. Über dreißig Jahre lang lebte Enoch »Nucky« Johnson wie ein dekadenter Monarch, der sich jeden Wunsch erfüllte. Er war über 1,90 groß, schlank und hatte breite Schultern. Er war auf eine rustikale Weise attraktiv, hatte große kräftige Hände, sein Kopf war kahl und glatt, seine Augen grau und freundlich, seine Stimme durchdringend, und oft zeigte er dieses teuflische Grinsen. In seinen besten Jahren stolzierte er in edlen Lederschuhen und mit einem Spazierstock über den Boardwalk. Er trug stets einen feinen Anzug und Gamaschen, und in seinem Revers steckte eine rote Nelke. Er ließ sich von seinem Chauffeur in einem taubenblauen Rolls-Royce durch die Stadt fahren und war der Gastgeber endloser exklusiver Partys. Die Polizei diente als seine persönliche Leibwache. Er verfügte über eine riesige Gefolgschaft, die ihm jeden Wunsch von den Augen ablas, und über ein nicht zu versteuerndes Jahreseinkommen von einer halben Million Dollar. Er war weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, und zu seinen Glanzzeiten nannte man ihn im
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