Boardwalk Empire
glauben, dass eine Jury aus Atlantic City Schuldsprüche gegen Mitglieder der Republikanischen Partei fällen würde, und so wurden nahezu alle Beschuldigten freigesprochen.
Einer davon war Polizeichef Enoch Johnson. Das Gerichtsverfahren half ihm ein Stück weit auf dem Weg zu Kuehnles Nachfolge. Johnson wurde von seinem langjährigen Freund und Anwalt Emerson Richards vertreten, aber er trat selbst in den Zeugenstand und forderte den Bundesstaatsanwalt selbstbewusst heraus. Er sprach den Richter beim Vornamen an und wandte sich direkt an die Geschworenen, darunter etliche von Kuehnles Republikanern. Weder Johnson noch sonst einer von Kuehnles Gefolgsleuten wurde wegen Wahlbetrug verurteilt.
Gleichzeitig ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen Bestechungsvorgängen im Stadtrat. Es war schließlich kein Geheimnis, dass Kuehnle und seine Leute an der Vergabe von offiziellen Bauaufträgen mitverdient hatten und Angestellte der Stadt einen Teil ihres Gehalts an die Partei abgeben mussten.
Im Juli 1911 arrangierte der Verleger Harvey Thomas ein Treffen zwischen Bundesstaatsanwalt Wilson und dem Privatdetektiv William J. Burns. Lange bevor Juristen über den Begriff der »Anstiftung« diskutierten, hatte Burns eine Idee, wie man den korrupten Stadtoberen von Atlantic City eine Falle stellen konnte. Dem Bundesstaatsanwalt gefiel diese Idee, und so ließ Burns seinen Mitarbeiter Frank Smiley als erfolgreichen New Yorker Bauunternehmer Mr. Franklin auftreten. Mr. Franklin mietete sich in eine Luxussuite auf dem Boardwalk ein und machte sich schnell einen Namen als spendabler Geschäftsmann. Schon bald wurde der Stadtrat auf ihn aufmerksam, und Mr. Franklin versuchte, einzelne Ratsmitglieder davon zu überzeugen, dass die Stadt eine Promenade aus Beton brauchte. Er überredete fünf von ihnen, eine Million Dollar für das Projekt zu genehmigen, und bezahlte jedem 500 Dollar für ihre Stimme. Die gesamte Transaktion zeichnete Smiley mit einem Diktiergerät auf. Als man die Abgeordneten mit der Aufzeichnung konfrontierte, gestanden sie.
Auch die privaten Einkünfte von Kommodore Kuehnle wurden unter die Lupe genommen. Kuehnle war nicht nur Teilhaber der Atlantic-City-Brauerei sondern auch der United Paving Company , einem Straßenbauunternehmen. Das war nur eine der zahlreichen Firmen, die Kuehnle gegründet hatte, um an die städtischen Aufträge zu kommen. United Paving konnte bereits mit den ersten Aufträgen 60 0 000 Dollar erwirtschaften. Die Firma gewann jede städtische Ausschreibung, an der sie teilnahm, selbst wenn sie von anderen Firmen im Preis unterboten wurde.
1909 vergab die Stadt einen Auftrag, um neue Wasserleitungen aus Holz zu konstruieren, die Absecon Island mit dem Festland verbanden, das sogenannte Woodstave Project. Damals wie heute speisten sich die Trinkwasservorräte der Stadt aus artesischen Brunnen auf dem Festland. Über Jahre hinweg hatte man das Wasser durch kleine Rohre über zehn Kilometer Marschland gepumpt, aber um mit dem Wachstum der Stadt Schritt zu halten, brauchte man jetzt eine Wasserleitung mit größerer Kapazität. United Paving hatte sich nicht an der Ausschreibung beteiligt, weil Kuehnle auch ein Mitglied der Trinkwasser-Kommission war und so ein Interessenkonflikt bestanden hätte. Stattdessen gewann ein gewisser Frank S. Lockwood, Angestellter bei United Paving, die Ausschreibung über ein Angebot von 22 4 000 Dollar. Noch am selben Tag überschrieb Lockwood den Auftrag einer Firma namens Cherry und Lockwood. William I. Cherry war der Partner von Louis Kuehnle bei United Paving und Lockwood nur ein Strohmann. Kuehnle trieb die Kosten bis auf 30 0 000 Dollar hoch, indem er als Vorsitzender der Trinkwasser-Kommission diverse Sonderwünsche genehmigte. Unterlagen belegen, dass von fünfzehn zusätzlichen Gutschriften alleine zwölf von Kuehnle autorisiert worden waren.
Mehr benötigte die Bundesstaatsanwaltschaft nicht, und die Geschworenen mussten Kuehnle diesmal schuldig sprechen. Die Verhaftung des Kommodore und die erfolgreiche Offenlegung der Korruption in Atlantic City waren Erfolge, die Woodow Wilson auf dem Weg ins Weiße Haus gut gebrauchen konnte.
Der Kommodore legte mehrmals Widerspruch ein, und als der endgültige Urteilsspruch erging, war Wilson bereits US-Präsident. Kuehnle wurde zu einem Jahr Zwangsarbeit und einer Strafe von 1000 Dollar verurteilt. Er trat seine Strafe im Dezember 1913 an, aber bevor er ins Gefängnis ging, traf er noch Vorkehrungen, damit die
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