Boardwalk Empire
dreißig Zuhälter wurden wegen Missachtung des Mann Acts , dem Gesetz gegen »weiße Sklaverei«, angeklagt. Außerdem erhob man Anklage gegen den Polizisten Ray Born, Leo Levy, den Sekretär des Bürgermeisters, und gegen Louis Kessel, Nuckys Leibwächter. Born sammelte die Schutzgelder von den Puffmüttern ein, während Levy und Kessel gemeinsam an der Gründung etlicher Bordelle beteiligt gewesen waren. Insgesamt vierzig Personen wurden in diesem Zusammenhang verurteilt, aber keiner wollte mit Frank oder seinen Leuten kooperieren. Daraufhin konzentrierten sich die Ermittler wieder auf die Steuerhinterziehung.
Die Bordellwirtinnen wickelten ihre Geschäfte ausschließlich in bar ab, hier mussten sich die Bundesbeamten etwas einfallen lassen. Aus den Verhören mit den festgehaltenen Prostituierten erhielten die Beamten eidesstattliche Erklärungen über deren Einkünfte, die, wie in Atlantic City üblich, 50:50 mit den Bordellbesitzern geteilt wurden. Die Schätzung der Bordelleinkünfte konnte durch die Überprüfung der medizinischen Unterlagen der Ärzte, welche die Frauen regelmäßig untersuchten, stichhaltiger werden. Dadurch ergab sich ein relativ genaues Profil der Umsätze der Freudenhäuser. Jetzt konnte man die Puffmütter ein weiteres Mal festnehmen, diesmal wegen Steuerhinterziehung. Sie schwiegen trotzdem, oder wie es Richard Jackson formulierte: »Die alten Huren blieben stur, das waren zähe Mädels.« 66
Obwohl sich die Prostitution in Atlantic City als sehr profitabel erwies, war sie doch nur einer von vielen Unterhaltungszweigen. Die großen Gewinne lagen im Glücksspiel. Seit Generationen gab es für jeden das geeignete Spiel mit dem passenden Einsatz, egal, welcher Klasse man angehörte. Die Glücksspielbetreiber gehörten zur Mitte der Gesellschaft und waren ein bedeutender Machtfaktor. Nucky war ein gerissener Politiker, aber um dreißig Jahre lang Boss zu bleiben, reichte das alleine nicht aus. Hätte er nicht die Unterwelt protegiert, wäre er längst nicht mehr im Amt gewesen, als William Frank und die Bundesbehörden in die Stadt kamen.
Das FBI konnte problemlos illegales Glücksspiel in Hinterzimmern, Nachtklubs und Restaurants nachweisen. Niemand machte einen Hehl daraus, jeder konnte mitspielen. Die Ausstattung dieser Hinterzimmer war verschieden, manche waren spartanisch mit Holzbänken möbliert, andere wie luxuriöse Salons ausgestattet. Manche Kasinos wurden auf zwei Stockwerken betrieben, die schlichten Zimmer lagen im Erdgeschoss und verlangten zwischen fünfzig Cent und einem Dollar Mindesteinsatz, während die Einsätze in den luxuriösen Räumlichkeiten im ersten Stock zwischen fünf und zehn Dollar lagen. Es wurden Speisen und Getränke gereicht, und wer sein Zugticket vorweisen konnte, dem wurden Hin- und Rückfahrt erstattet. Ein deutlicher Hinweis auf die große Anzahl von Pferdewetten war die Tatsache, dass die Wettbüros dieselben Quoten anboten wie an den Rennstrecken. Das war nur bei einer sehr hohen Zahl von abgeschlossenen Wetten möglich. Die Wettbüros unterlagen vollständig Nuckys Kontrolle. 1935 war er nach Chicago gereist, um mit dem Unterwelt-Unternehmen Nationwide News Service Verträge über eine exklusive Lizenz für Pferdewetten abzuschließen. Jedes Wettbüro in Atlantic zahlte 200 Dollar pro Woche, davon gingen vierzig Dollar an den Nationwide News Service. Die Differenz behielt Nucky.
Die meisten Spielbetriebe boten eine Vielzahl von Aktivitäten, wie Poker, Blackjack, Würfelspiele und Roulette an. Selbst die Wettbüros stellten Poker- und Würfeltische auf, um den Glückspilzen das bei den Pferdewetten gewonnene Geld wieder abzunehmen. Die exklusiveren Kasinos waren meistens an Nachtklubs angeschlossen, deren Annehmlichkeiten an Essen, Alkohol und Frauen es mit jedem großen Kasino der Welt aufnehmen konnten. Die kleinen Betriebe brachten zwischen 500 und 1000 Dollar am Tag ein, die größeren 5000 bis 6000 Dollar.
Die Kasinos und Nachtklubs, die unter Nucky prächtig gediehen, nannten sich 500 Club, Paradise Café, Club Harlem, Little Belmont, Bath and Turf Club, Cliquot Club und Babette’s . Letzteres war eins der edelsten Kasinos seiner Zeit und lockte Kundschaft aus dem gesamten Land an.
»Zu Babette’s kamen nur die Reichsten. Es gab die besten Steaks und die besten Drinks und ein großartiges Unterhaltungsprogramm«, berichtet die Zeitzeugin Mary Ill.
Nachtklubs wie das Babette’s wurden landesweit beworben, und namhafte Musikgruppen
Weitere Kostenlose Bücher