Boardwalk Empire
und Broadway-Stars traten dort auf. Den Inhabern war es egal, ob sie Gewinne mit den Klubs einfuhren, sie wollten ihre Kasinos vollkriegen. Die meisten von ihnen waren notorische Kriminelle mit Vorstrafenregister und einem dekadenten Lebenswandel. Viele davon kannte man nur unter ihren Spitznamen. William Kanowitz war »Wallpaper Willie«, Lou Khoury »Lou Kid Curry«, es gab Michael »Doc Cootch« Curcio, und hinter »Jack Southern« verbarg sich Martin Michael. Hätte sich Nucky mit seinem vollen Namen »Enoch« rufen lassen, er wäre nur unangenehm aufgefallen.
Die häufigste Glücksspiel-Variante in Atlantic City war die Zahlenlotterie. In einer Stadt mit 6 6 000 Einwohnern und einem Spiel mit Wetteinsätzen zwischen fünf und zehn Cents erwirtschafteten die Lotteriebetriebe Jahresumsätze von bis zu zwei Millionen Dollar, das waren am Tag zwischen 5000 und 6000 Dollar. Die Lotterie war so beliebt, dass die Leute es in der Regel zweimal täglich spielten, einmal morgens, einmal abends. Bei ihren Ermittlungen untersuchten die Behörden bis zu 1500 Einzelhändler, von denen 830 unter Eid zugaben, Lotterietickets verkauft zu haben. Richard Jackson erinnerte sich: »Wenn du dir um die Ecke eine Flasche Milch geholt hast, konntest du schnell noch Lotterie spielen. Fast jeder Laden verkaufte Lose.« Nucky hatte den Großteil der Einwohner zu Komplizen gemacht.
Im Frühjahr 1939 wurden vierzig Anklagen erhoben. Die ersten Racketeers, die es erwischte, waren die Wettbürobetreiber William Kanowitz und David Fischer. Anschließend folgten die Köpfe des Lotterie-Syndikats. Zur gleichen Zeit wurde Anklage wegen der Korruptionsvorgänge bei der städtischen Müllabfuhr und beim Bau des neuen Bahnhofs erhoben. Insgesamt warteten jetzt dreißig von Nuckys Gefolgsleuten auf ihren Prozess und wurden ständig von den Beamten in die Mangel genommen, um vor der Grand Jury in Camden auszusagen. Doch die Mauer des Schweigens blieb stabil. Nuckys Getreue ließen sich lieber wegen Meineid und Missachtung des Gerichts belangen, als gegen ihren Boss auszusagen. Der erste Steuerhinterzieher, dem der Prozess gemacht wurde, war der Lotteriebetreiber Austin Clark. Zwar musste das Gericht drei von Nuckys Schlägern, die direkt vor der Zeugenbank saßen, aus dem Gerichtssaal entfernen, aber ansonsten verlief die Verhandlung ohne Zwischenfälle. Clark wurde für schuldig befunden und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, war aber weiterhin nicht kooperationsbereit. Die Regierung hoffte, dass sie mit der Verurteilung das Schweigen der anderen Angeklagten brechen konnte, aber sie hatte die Widerstandsfähigkeit von Nuckys Leuten unterschätzt.
Nach der Verurteilung von Austin Clark begannen Nucky und seine Vertrauten, die Vorbereitungen der nächsten Fälle der Staatsanwaltschaft zu behindern. Zeugen für anstehende Verhandlungen sollten sich im FBI-Büro im zweiten Stock des Postgebäudes auf der Pacific Avenue melden, aber die meisten tauchten nie dort auf. Und die, die hingingen, wurden im Anschluss sofort in die Büros von Nuckys Anwälten gezerrt, wo sie berichten mussten, was sie dem FBI erzählt hatten. William Frank war außer sich:
Es war jetzt klar, dass unser Gegner sehr gut organisiert war. Es handelte sich nicht um Einzelpersonen, die einen Meineid leisteten, es war alles Teil einer gigantischen Verschwörung, geplant von den Anwälten. Jeden Tag, an dem die Grand Jury zusammentrat, lungerte eine Gruppe von Anwälten in den Gängen des Postgebäudes herum und schritt sofort ein, wenn jemand wegen Missachtung des Gerichts belangt oder angeklagt wurde. Es war offensichtlich, dass diese Anwälte keine Einzelpersonen vertraten, sondern von der Organisation beauftragt waren. Ein Kautionsbürge stand immer bereit, egal wer angeklagt wurde. 67
Für Frank hatte die Schlacht gegen Nucky gerade erst begonnen. Auf das Urteil gegen Austin Clark folgten etliche gegen geringfügigere Kriminelle, von denen keiner zur Zusammenarbeit bereit war. Der erste Prozess, der Nucky empfindlich traf, war der gegen vierzehn Lotterie-Banker. Sie wurden wegen Beihilfe zum Meineid und Steuerhinterziehung in Verbindung mit dem Lotterie-Syndikat angeklagt. Der Prozess begann am 29. April 1940. Zusätzlich zu den Aussagen der Ermittler musste die Regierung auch die der Angestellten der Angeklagten heranziehen. Diese verfügten zwar nicht über umfangreiches Wissen, verdienten aber zu wenig, um für ihre Arbeitgeber einen Gefängnisaufenthalt zu riskieren. Im
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